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Was ist was am Albtrauf?

Albtrauf fotografiert vom Steinenberg in Tübingen. Foto: Norbert Kraas

Albtrauf fotografiert vom Steinenberg in Tübingen. Foto: Norbert Kraas

Die Schwäbische Alb ist wunderschön, ich weiß, aber noch schöner wäre sie für mich, wenn ich beim Bestimmen der Gipfel nicht immer so rumeiern oder gar passen müsste.

Meine Frage an alle Alb-Fans hier: Wer kann mir eine gute Landkarte Schwäbische Alb / Albtrauf empfehlen, mit der ich die ganzen Gipfel, die zum Beispiel auf dem Foto zu sehen sind (vom Steinenberg in Tübingen aus fotografiert), bestimmen kann?

Vielen Dank!

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Kristallnacht – „Spätes Tagebuch“ von Max Mannheimer

Am 10.11.1938 wurde auch die Synagoge in Baisingen im Landkreis Tübingen verwüstet. Foto: Norbert Kraas

Am 10.11.1938 wurde auch die Synagoge in Baisingen im Landkreis Tübingen verwüstet. Foto: Norbert Kraas

10. November 1938: Kristallnacht

Gestern brannten die Synagogen. Sie brannten in Deutschland. Sie brannten in einem Teil der Tschechoslowakei. Bestand auch die Gefahr der Ausdehnung des Feuers, wurden sie durch Sprengungen zerstört. Die meisten jüdischen Geschäfte wurden demoliert. »Meine« Synagoge wurde geplündert. Feuer oder Sprengung wären wegen des schräg gegenüberliegenden Gaskessels gefährlich gewesen. Gebetbücher, Thorarollen und Gebetschals lagen zerfetzt auf der Straße. Das Buch, das die Juden seit zwei Jahrtausenden in der Zerstreuung zusammenhielt, wurde mit Stiefeln getreten.“

Diese Sätze schreibt der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer über die Reichskristallnacht in seinen Erinnerungen, die er 1964 für seine Tochter zu Papier brachte. Der schmale Band „Spätes Tagebuch: Theresienstadt – Auschwitz – Warschau – Dachau“ erschien erstmals im Jahr 2000 im Piper Verlag.

Tagebuch des Grauens

Auf gerade mal 115 Seiten schildert der 1920 in Neutitschein (Nordmähren, heute Tschechien) geborene Mannheimer die Zeit zwischen den Novemberpogromen 1938 und dem 30. April 1945. An diesem Tag  befreien sich Mannheimer, sein Bruder Edgar und andere überlebende Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau (Außenstelle Mühldorf) aus einem Güterwagon, der in der Nähe von München von seinen deutschen Bewachern auf offener Strecke verlassen wird.

„Unsere Bewacher sind verschwunden. Wir öffnen die Wagons. Das Tor zur Freiheit. Einige hundert Meter von uns fährt eine amerikanische Militärkolonne. Wir sind frei. Wir können es noch nicht fassen. Ich bin zu schwach, um den Wagon zu verlassen.“

Max Mannheimer und sein Bruder Edgar sind die einzigen Überlebenden der Familie. Die Mutter Margarethe wird im Februar 1943 an der Rampe in Auschwitz-Birkenau von dem damals 23jährigen getrennt. Sie wird wie der Vater, die Schwester und Mannheimers erste Frau Eva von den Nazis vergast. Seine Brüder Erich und Ernst werden ebenfalls von den Nationalsozialisten ermordet.

Max Mannheimer: Spätes Tagebuch. Foto: Norbert KraasEin wichtiges Buch

Der Zeitzeuge Max Mannheimer, der am 23. September 2016 im Alter von 96 Jahren in München gestorben ist, beschreibt die Jahre der Hölle in den Lagern Theresienstadt, Auschwitz, Warschau, Dachau in unaufgeregten, schnörkellosen Sätzen. Es ist dieser sachliche Tagebuchstil, der diesem schmalen, unbedingt lesenswerten Buch eine ganz besondere Wirkung verschafft. Als Leser ist man dicht am Geschehen, liest gebannt, um am Ende sprachlos zurückzubleiben. Max Mannheimer hat bis zu seinem Tod vor vielen tausend Jugendlichen und Erwachsenen über den Holocaust, die Naziherrschschaft im Dritten Reich und über seine eigene Zeit in den Konzentrationslagern gesprochen. Diese Aufklärung war ihm ein sehr wichtiges Anliegen. Dabei sagte er einmal in einer Diskussion zu Schülern:

„Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber daß es nicht wieder geschieht, dafür schon.“

Buchinformation

Max Mannheimer
Spätes Tagebuch. Theresienstadt – Auschwitz – Warschau – Dachau
Piper Verlag, München
ISBN: 978-3-492-26386-3

Informationen zur Synagoge Baisingen

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Sackgasse Brexit / Buchbesprechung

Brexit for a brighter future? Dover Castle hat schon vielen Stürmen getrotzt. Foto: Norbert Kraas

Brexit for a brighter future? Dover Castle hat schon vielen Stürmen getrotzt. Foto: Norbert Kraas

Fast jeden Morgen kurz vor 7 höre ich auf BBC Radio 4 die Sendung „Farming Today“, während ich für meine Familie das Frühstück mit Porridge mache. Bei dieser Beschäftigung fühle ich mich England und seinen Bewohnern auf sehr angenehme Weise verbunden. „Farming Today“ beschäftigt sich in Reportagen und Interviews mit der britischen Landwirtschaft, dem Alltag der Bauern, ihren Freuden, aber auch ihren Sorgen und Nöten. Das alles dominierende Thema dieser Tage ist, wer hätte es gedacht, der Brexit. Die Unsicherheit der englischen Farmer und Naturschützer ist ob der Folgen des Brexits und der unfassbaren Planlosigkeit der Regierung in Westminster riesengroß. Und das Chaos ist mit Händen zu greifen.

LEAVE

Dabei ist das Brexit-Referendum jetzt mehr als zwei Jahre her. Am 23. Juni 2016 haben 17,4 Millionen Wahlberechtige (51,89 %) in Großbritannien für LEAVE gestimmt. Ab dem 30. März 2019 wird Großbritannien nicht mehr der Europäischen Union angehören. Und wenn in den nächsten Wochen nicht ein Wunder geschieht, wird dieser Austritt ohne einen sogenannten Deal (ich mag dieses Trump’sche Wort überhaupt nicht!), also ohne formalen Scheidungsvertrag über die Bühne gehen. Man mag es kaum glauben und fasst sich an Kopf – wie konnte es so weit kommen? Wo liegen die Wurzeln dieser Entscheidung? Wie kann es sein, dass dieses Land mit seinen höflichen Bewohnern in zwei unversöhnliche Hälften auseinanderfällt?

Reise durch ein zerrissenes Königreich

Der Schweizer Journalist und Autor Peter Stäuber, der seit 2010 in London lebt und unter anderem für die ZEIT schreibt, hat sich auf eine Reise kreuz und quer durch Großbritannien begeben, um herauszufinden, wie es zum Brexit kommen konnte. „Sackgasse Brexit – Reportagen aus einem gespaltenen Land“ heißt sein Buch, das vor ein paar Wochen im Rotpunkt-Verlag in Zürich erschienen ist.

Um es gleich vorweg zu sagen: Wer sich für Großbritannien interessiert und dieses Land besser verstehen möchte, sollte dieses spannende, faktenreiche Buch lesen. Aber: die Lektüre lohnt auch aus deutscher Sicht, weil Stäuber aufzeigt, wie leicht Menschen in wirtschaftlich abgehängten Regionen mittels geschickt gesteuerter Kampagnen, die nicht selten mit Lügen gespickt sind, zu manipulieren sind.

Stäubers Recherche beginnt im Herbst 2017 in der Finanzmetropole London und endet im Frühjahr 2018 mit einem Kapitel über den Aufstieg des Labour-Chefs Jeremy Corbyn (mein Lesetipp für SPD-Politiker). Der Autor besucht Great Yarmouth an der Ostküste, wo er den Aufstieg der fremdenfeindlichen UKIP (United Kingdom Independence Party) analysiert. Von dort geht es nach Merthyr Tydfil im südlichen Wales, einst Hochburg der britischen Kohleindustrie, in der die heute arbeitslosen Bergleute alles verloren haben, auch ihren Stolz und ihr Selbstwertgefühl. In Aberdeen und Glasgow beleuchtet Stäuber die Haltung der Schotten zum Brexit und untersucht die Entwicklung der schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen vor dem Hintergrund des Leave-Votums. Zwischen seine Reportagen schiebt Stäuber informative Kapitel über das Verhältnis der Briten zur EU (keine Wunschhochzeit), das Erbe des Empire (absurde Sehnsucht nach alter, weltumspannender Größe gepaart mit latentem Rassismus), und er erklärt die Rolle der britischen Boulevardpresse, die, wenn es der Auflage dient, hemmungslos Fremdenfeindlichkeit schürt, Lügen über die EU verbreitet und ein neoliberales, reaktionäres Weltbild feiert.

Nicht nur wegen der Scones würden wir sie vermissen, unsere Freunde von der Insel. Foto: Norbert Kraas

Nicht nur wegen der Scones würden wir sie vermissen, unsere Freunde von der Insel. Foto: Norbert Kraas

Brexit: Kein Links-rechts-Schema

„Der Brexit lässt sich nicht so einfach in das Links-rechts-Schema einfügen: Er hat eine starke rechtsnationale Komponente, aber auch eine weniger regressive Dimension, nämlich den Protest gegen die antidemokratischen wirtschaftsliberalen Tendenzen in London und Brüssel. Auf jeden Fall ist der Brexit ein Votum gegen das Establishment, das mit allen Mitteln versucht hatte, diesen Ausgang zu verhindern.“

So schreibt Stäuber im Vorwort von „Sackgasse Brexit“, und wenn wir jetzt London gegen Berlin austauschen…, aber lassen wir das, zurück zum Brexit und in die britische Finanzmetropole. Diese zieht aufgrund der attraktiven Gehälter, die sich dort verdienen lassen, nicht nur die besten Köpfe aller britischen Regionen an. London hat sich „in den vergangenen dreißig bis vierzig Jahren immer weiter vom Rest des Landes entfernt, eine Insel des Wohlstands, die vom darniederliegenden Festland abdriftet“. In London, lesen wir, „bestimmt die Zentralregierung über 91 % des Geldes, das der Staat über die Steuern einnimmt.“ Zentralisierter geht’s kaum noch! Man muss sich nicht wundern, wenn in den abgehängten Regionen Familien, „in denen mittlerweile die dritte oder vierte Generation arbeitslos ist“, vom Londoner Establishment die Schnauze voll haben.

Deindustrialisierung und Deregulierung

Leute, denen es reicht, trifft Stäuber während seiner gründlichen Recherche überall. Besonders traf es die Menschen im südlichen Wales, wo mit dem Niedergang der Kohleindustrie im Zuge einer politisch gesteuerten Deindustrialisierung seit den 60er Jahren einer kompletten Region die Lebensgrundlage entzogen wurde. Und zwar ohne wirtschaftliche Alternativen aufzubauen. Stäuber legt kenntnisreich dar, wie Margret Thatcher 1984 nicht nur die einst mächtige Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) in die Knie zwang, sondern praktisch fast die komplette produzierende Industrie Großbritanniens ihrer neoliberalen Finanzmarktpolitik opferte.

„Zwischen 1979 und 1993 sank die Beschäftigung im herstellenden Gewerbe, diesem einstigen Kraftwerk des Landes, von 7,1 auf 4,4 Millionen.“ […] Wer nach den Wurzeln des Brexit sucht, findet hier eine der tiefsten. Der Zusammenbruch der fertigen Industrie veränderte das Gesicht Großbritanniens nachhaltig. Die Veränderungen waren durchgreifend und dauerhaft. Ehemals prosperierende Landstriche waren plötzlich von den Symptomen des sozialen Elends gekennzeichnet, die Menschen verloren ihr Einkommen, ihre Würde und ihren Glauben an die Zukunft.“

„We are not racists“

Die Filmemacherin Sheena Sumaria, mit der Stäuber in South Yorkshire unterwegs war, hat einen sehenswerten, elfminütigen Dokumentarfilm über das Bergarbeiterdorf Stainforth gemacht. Der Film lohnt sich, auch wenn das English nicht immer einfach zu verstehen ist:

Why we voted leave: voices from northern England from Guerrera Films on Vimeo.

Wer jetzt glaubt, die Deindustrialisierung und hemmunglose Förderung der Finanzmarkt- und Dienstleistungsindustrie hätte mit dem Sieg des Labour-Politikers Tony Blair im Jahr 1997 ein Ende gehabt, wird von Stäuber eines Besseren belehrt. Im Gegenteil: Blair hat den Financial District in London erst richtig von der Leine gelassen. Entsprechend hart traf die Finanzmarktkrise 2007/08 Großbritannien. Die Folgen waren drastische Kürzungen der Staatsausgaben (Austerity), die vor allem – natürlich – die ärmeren Regionen trafen. Der Finanzsektor zeigte ein bisschen Pseudo-Demut und machte dann unter Blairs Labour-Nachfolger Gordon Brown und dann unter dem glatten David Cameron weiter wie bisher.

Der britische Filmemacher Ken Loach zeigt in seinem preisgekrönten Spielfilm die Unmenschlichkeit des britischen Sozialsystems am Beispiel des Schreiners Daniel Blake, der nach einen Herzinfarkt in den Mühlen der Bürokratie untergeht. Hier der Trailer:

Leave trotz EU-Subventionen

Stäuber geht in seinem faktengespickten Buch auch der Frage nach, warum gerade die ärmsten Regionen, die mit den meisten Fördergeldern aus Brüssel unterstützt werden, in der Mehrzahl Leave gewählt haben. Und er hört von seinen Interviewpartnern, dass zum einen der Effekt der EU-Gelder bei den betroffenen Menschen nicht wirklich ankam oder erkennbar war. Zum anderen, dass die starke Zunahme von Arbeitsmigranten, zum Beispiel aus Polen oder Portugal, die Menschen zusätzlich misstrauisch und neidisch gemacht habe. Vor allem die als unkontrolliert wahrgenommene Einwanderung wurde und wird als Problem angesehen. Die populistische, fremdenfeindliche UKIP-Partei hat es geschickt verstanden, Unzufriedenheit, Unsicherheit und Ängste in den abgehängten Regionen für ihre Zwecke zu nutzen. Ihre Kampagne für den Brexit war hemmungslos und funktionierte auch dank tatkräftiger Unterstützung der berüchtigten englischen Regenbogenpresse.

EU-Austritt: die Lösung?

Dabei sind die Probleme der britischen Wirtschaft, so Stäuber im Abschnitt über den Labour-Führer Jeremy Corbyn, nicht auf „Einwanderung zurückzuführen, sondern auf systemische Ursachen.“ Im Schlusswort seines mit vielen Anmerkungen versehenen Buches fasst er nochmals die Gründe zusammen, die er als zentral für die folgenschwere Brexit-Entscheidung sieht. Er zeigt glaubhaft auf, dass die Motive der Brexit-Befürworter sehr vielschichtig und oft widersprüchlich sind. Einig sind sich alle, Leave- und Remain-Wähler, dass es so mit Großbritannien nicht weiter gehen kann.

Die Menschen in Großbritannien wollen die Kontrolle zurück, und das bedeutet viel mehr, also nur die Einwanderung zu beschränken. Es bedeutet, so Stäuber: sichere Arbeitsplätze, ein ausreichendes soziales Netz, das Gefühl lokal und regional wieder mitbestimmen zu können, die Verringerung der Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft und der Regionen, Schluss mit der Abhängigkeit vom Finanzsektor der City.

Der Autor sieht große Herausforderungen und Aufgaben auf die britische Politik und Gesellschaft zukommen. Allein der Austritt aus der EU wird die vielfältigen Probleme Großbritanniens nicht lösen. So wenig übrigens, wie die Probleme Italiens, Ungarns oder Polens mit einer xenophoben Abschottungspolitik gelöst werden.

„Was für eine Gesellschaft streben wir an?“

Mit dieser Frage, so Peter Stäuber am Ende dieses wirklich lesenswerten Buches, sollte die Brexit-Strategie beginnen. Eine wichtige Frage, die wir alle uns immer wieder stellen sollten.

NK / CK

Buchinformation

Peter Stäuber
Sackgasse Brexit: Reportagen aus einem gespaltenen Land
Rotpunktverlag Zürich, 2018
ISBN: 978-3-85869-798-1

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Buchbesprechung: „Mensch 4.0 – Frei bleiben in einer digitalen Welt“

Entscheiden wir selbst, welchen Weg wir gehen, oder entscheiden Algorithmen? Foto: Norbert Kraas

Entscheiden wir selbst, welchen Weg wir gehen, oder entscheiden Algorithmen? Foto: Norbert Kraas

Willkommen im Instagram-Hotel

Waren Sie schon mal in einem instagramtauglichen Hotel? Das sind Hotels, die ihre Räumlichkeiten so gestalten oder umgestalten, dass Besucher, die nichts Besseres zu tun haben, als ihr Leben auf Instagram auszustellen, optimale Bedingungen vorfinden, um instagramtaugliche Fotos zu posten. Klingt verrückt, ist für immer mehr Reisende aber ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für eine Unterkunft.

„Mensch 4.0 – digital überfordert?

Fühlen Sie sich auch oft überfordert, wenn Sie lesen, wie die Digitalisierung unser Leben und das unserer Kinder und Enkel verändert? Wie soll man sich zurechtfinden in dieser digitalen Vollgaswelt? Und wie können wir in einer durchdigitalisierten Welt frei bleiben? Zum Beispiel, indem wir ganz analog ein Buch lesen, das uns einen kritischen Überblick und einen aktuellen Kenntnisstand verschafft:

„Noch nie zuvor war der Mensch so vernetzt, so sehr Teil eines Rädchens in der Weltmaschine, und noch nie hat er sich dabei so autonom gefühlt. Während er noch denkt, er sei in seinem Cockpick der Kapitän, hat schon längst der Autopilot übernommen.“

Das schreibt Alexandra Borchardt in ihrem neuen Buch „Mensch 4.0 – Frei bleiben in einer digitalen Welt“. Die promovierte Politikwissenschaftlerin hat viele Jahre als Journalistin gearbeitet, zuletzt als Chefin vom Dienst bei der Süddeutschen Zeitung. Seit Sommer 2017 ist Borchardt am Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford.

Aufklärend, nicht alarmistisch

„Mensch 4.0“ bietet auf gut 250 Seiten einen fundiert recherchierten, flüssig geschriebenen Überblick über die Risiken, Gefahren und Chancen der Digitalisierung. Im Gegensatz zu alarmistischen Mahnern wie etwa Manfred Spitzer, der nicht müde wird, in der Digitalisierung den Untergang des Abendlandes zu sehen (und damit gutes Geld verdient), schlägt Borchardt einen sachlichen, aufklärerischen, aber auch warnenden Ton an.

Borchardt hat intensiv recherchiert und Material aus den verschiedensten Disziplinen gesichtet. Sie hat sich mit Erkenntnissen von Hirnforscherinnen, Psychologen, Philosophinnen, Programmierern und Politikwissenschaftlern befasst. Diese Erkenntnisse und ihre eigenen Schlussfolgerungen legt sie in acht Kapiteln dar. Jedes Kapitel beleuchtet dabei einen anderen Aspekt dessen, was wir Digitalisierung nennen.

„Digitalisierung verstehen“

So heißt das erste Kapitel des Buchs. Darin lesen wir, wie sehr das Internet mittlerweile unseren Alltag bestimmt und wie großzügig oder unwissend wir ständig Daten über uns preisgeben. Eine nicht unerhebliche Gefahr sieht Borchardt in der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft, die durch die Digitalisierung mit hoher Geschwindigkeit vorangetrieben wird. Jeder kann sich selbst zum Online-Superstar stilisieren und sich als solcher fühlen. Die eigene Bedeutung wird überhöht, durch Likes und Sternchen von Followern bestätigt.

Fragt man Jugendliche nach ihrem Berufswunsch, dann fällt schon mal der Begriff Youtuber. Das sind Leute, die auf Youtube Filme zu einem bestimmen Thema, z. B. Beauty-Tipps, einstellen und damit ihre Follower erfreuen. Je mehr Follower, desto lukrativer wird das und desto mehr wächst das Online-Selbstbewusstsein. Es gibt „Youtube-Stars“, die eine halbe Million Dollar pro Monat damit verdienen, dass ihnen möglichst viele Leute dabei zuschauen, wie sie Ballerspiele zocken. Ist es verwunderlich, wenn Jugendliche auch so sein wollen, weil die Welt dann um sie kreist?

„Was aber geschieht, wenn die Sache kippt? Wenn es nur noch um den Einzelnen geht und nicht mehr um die Gemeinschaft? Und entsteht da nicht unter den am Smartphone klebenden Händen eine Gesellschaft voller Narzissten? […] Doch sie verkennen: Die Freiheit des Einen kann zum Gefängnis der anderen werden.“

Effizienz und Nutzen

Weitere kritische Aspekte der Digitalisierung sind für Borchardt:

  • die Atemlosigkeit der Konsumenten
  • der unstillbare Drang, ständig etwas zu teilen oder kommentieren zu müssen
  • das gnadenlose Diktat der Effizienz und Ökonomisierung, dem wir uns freiwillig unterwerfen

Viele von uns sind permanent auf der Suche nach dem besten Deal im Netz: für den Urlaub, den neuen Job oder den neuen Partner. Unablässig wird getindert, gegoogelt, verglichen, auf Nutzen und Effizienz gecheckt. Evolution jedoch, so Borchardt, war und ist nicht effizient. Und Innovationen sind, so zeigt sie am Beispiel der Erfindung des Penicillin, häufig eben keine Frage von Effizienz, sondern von Zufall. Wenn alles über Logik und Effizienz zu lösen wäre, dann würden wir längst in der besten aller Welten leben: mit Autos, die keine Abgase ausstoßen und keine Batterien benötigen. Tun wir aber nicht!

Algorithmus heißt Kontrolle

„Facebook ist legales Crack“, sagt der ehemalige Facebook-Manager Antonio Martínez. Ich vermute, dass Martínez, wie viele andere Silicon-Valley-Stars auch, den Internet- und Smartphone-Konsum seiner Kinder massiv einschränkt. Auch vom Apple-Chef Tim Cook ist bekannt, dass er seinen Nichten und Neffen das Smartphone verbietet. Warum ist Cook so streng mit seinen Neffen, wo er doch mit Hard- und Software Milliarden verdient? Nun, der Apple-Chef Cook weiß, wie gut die Algorithmen programmiert sind, die unser Leben schon heute sehr stark bestimmen. Und Algorithmen sind, so erklärt Borchardt, die Gehirnströme jeder Hard- und Software. Algorithmen bestimmen, was wir in unserer Twitter- oder Facebook-Timeline sehen, welchen Weg unser Navi von A nach B vorschlägt, welche Suchergebnisse wir gezeigt bekommen und welche eben nicht. Wie mächtig Algorithmen sind, warum Effizienz vor Fairness und Nutzen vor Moral kommen, erläutert Borchardt an etlichen Beispielen ausführlich und gut verständlich. Auf die Politik bezogen bedeutet das: „Wer den Algorithmus kontrolliert, kontrolliert die Gesellschaft“. Wer seine Anhänger ständig in der Filterblase hält und sie mit Fake-News über den politischen Gegner bombardiert, dem steht auch der Weg ins Weiße Haus offen. Welche Möglichkeit das Internet erst Diktaturen bietet, kann man sich ausmalen.

Vom User zum mündigen Bürger

Leider ist den meisten Internet-Nutzern die Gefahr der permanenten Manipulation und des Missbrauchs unserer Daten nicht wirklich bewusst, oder aber man hört Sätze wie: „Ich hab’ doch nichts zu verbergen, es wird schon nichts Schlimmes mit meinen Daten passieren.“ Ein Satz, der die eigene Bequemlichkeit nur schlecht kaschiert und von naiver Gutgläubigkeit zeugt.

Gefährlich ist diese Haltung, das wird bei der Lektüre von „Mensch 4.0“ immer wieder deutlich. Borchardt fordert uns eindringlich zu einem mündigen, aufgeklärten Umgang mit Smartphone und Internet auf. Gefordert sind aber auch die Politikerinnen und staatlichen Institutionen. Diese haben die Aufgabe, uns vor Macht und Missbrauch der Internetmonoplisten zu schützen. Leider sieht es im Moment so aus:

„Staatliche Institutionen, die eigentlich das Gewalt- und Kontrollmonopol haben, sind dem Entwicklungstempo der digitalen Welt nicht mehr gewachsen.“

Eine bedenkliche Situation, die Borchardt in ihrem Buch beschreibt, aber nicht ohne Hoffnung. Wir, die Bürger und der Staat müssen uns jedoch mächtig anstrengen, um in Sachen digitaler Bildung und Digitalisierung die Oberhand gegenüber den Internet-Giganten wiederzugewinnen. Borchardt ist trotz allem optimistisch, dass dies noch machbar ist. Andere Experten, die sie zitiert, sind sich da nicht mehr so sicher. „Ich glaube, das Internet ist kaputt“, sagt etwa Evan Williams, einer der Gründer von Twitter. Und das ist das Medium, mit dem der Narzisst im Weißen Haus die Welt das Fürchten lehrt und seine Anhänger „informiert“.

Freiheit verteidigen

Aber wie kann es aussehen, das selbstbestimmte digitale Leben? Im letzten Kapitel von „Mensch 4.0“ setzt sich Borchardt mit dem Thema individuelle Freiheit versus algorithmisch bestimmte Welt auseinander.

„Freiheit muss immer ausgehandelt werden, sie ist ein Prozess, in dem es um das Respektieren von Wünschen und der Grenzen anderer und ums Lernen geht. […] Das Besondere an der Freiheit ist aber, dass man sie nicht messen kann.“

Borchardt fordert, dass wir unsere Freiheit und Selbstbestimmtheit in der digitalen Welt verteidigen. Ich verstehe es so: Wir müssen aufhören, passive, ahnungslose Datenproduzenten für Konzerne oder Parteien zu sein. Wir müssen aufhören, uns dem Effizienzdiktat zu unterwerfen, ganz gleich was die Internetgurus uns als Belohnung für diese Unterwerfung versprechen. Wir müssen digital erwachsen werden und erkennen:

„Die Freiheit des Bürgers ist eine andere als die des Konsumenten. Bei den bürgerlichen Freiheiten geht es immer um etwas Größeres als um einen selbst. Es geht um Mitsprache, Ideen, die Arbeit an einer besseren Welt, das Basteln an einer für alle erträglichen Gesellschaftsordnung.“

Sich zwischen Amazon Prime und Netflix, zwischen Spotify und Deezer entscheiden zu können, ist nicht die Freiheit, die Borchardt meint. Ihre Freiheit hat mit Denken, mit Anstrengung, mit Unsicherheit, Pflichten und auch Ängsten zu tun. Dafür, so Borchardt, und für die Empathie, die im Zuge der Digitalisierung auch unter die Räder zu kommen droht, lohnt es sich zu kämpfen.

Kein digitales Weiter so

Ich bin mir nicht so sicher, ob sich Amazon, Google, Facebook & Co, die Kontrolle und damit ihre gewaltigen Profite noch aus der Hand nehmen lassen. Ganz sicher bin ich aber, dass „Mensch 4.0 – Frei bleiben in einer digitalen Welt“ ein wichtiges, kluges Buch zur rechten Zeit ist. Es sollte Pflichtlektüre in allen weiterführenden Schulen sein.

NK / CK

Informationen zum Buch

Dr. Alexandra Borchardt
Mensch 4.0 Frei bleiben in einer digitalen Welt
ISBN: 978-3-579-08692-7
Gütersloher Verlagshaus, 2018
256 Seiten, gebunden, 20,00 Euro

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Buchbesprechung: Was bleibt, wenn ein Mensch stirbt?

Schreibtisch von Charles Darwin mit persönlichen Gegenständen in seinem Haus in Kent. Foto: Norbert Kraas

Schreibtisch von Charles Darwin mit persönlichen Gegenständen. Foto: Norbert Kraas

„Vater ist tot. Nicht mehr da. Das konnte, durfte nicht sein.“

Mit der Nachricht über den Tod des Vaters beginnt Rainer Moritz sein neues Buch „Mein Vater, die Dinge und der Tod“, das vor ein paar Wochen im Verlag Antje Kunstmann erschienen ist. Rainer Moritz, geboren 1958 in Heilbronn, Studium der Germanistik, Philosophie und Romanistik in Tübingen, leitet seit 2005 das Literaturhaus Hamburg. Dort erreicht ihn der Anruf der Mutter, die ihm in wenigen Worten mitteilt, dass der Vater gestorben ist. Der Sohn kann und will sich mit dem plötzlichen Einbruch des Nichts, wie Gustave Flaubert den Tod beschrieben hat, nicht abfinden und macht sich auf die Suche nach tröstenden Erinnerungen. Es gibt wenige Fotografien, aber kein Tagebuch oder Briefe vom Vater: „Er wollte sein Leben nicht schriftlich festhalten. Das wäre ihm wichtigtuerisch vorgekommen.“

So anachronistisch dies in Zeiten der permanenten Selbstdarstellung erscheint, wo alles Erleben via Facebook, Instagram und Whats App umgehend geteilt wird, so nimmt es den Leser doch gleich für den 1926 geborenen Vater ein. In den folgenden, gut 20 kurzgehaltenen Kapiteln zeichnet der Autor ein sehr anschauliches, lebendiges Portrait seines Vaters, das die Trauer – für den Leser – in den Hintergrund treten lässt.

Old Spice, Muhammad Ali, Ragoût Fin

Es sind vor allem die Alltagsdinge in der Wohnung der Eltern, die mit Erinnerungen behaftet sind: der Fernsehsessel, die Musikanlage, der Aschenbecher, die Armbanduhr oder das Rasierwasser, Marke Old Spice. Sie erzählen von den Lebensgewohnheiten des Vaters und seiner Einstellung zum Leben. An den Gegenständen legt der Autor aber auch geschickt die Familienstrukturen und die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander offen. Dies alles geschieht vor dem historisch-kulturellen Hintergrund der 60er- und 70er-Jahre. Da tauchen zum Beispiel die legendären Boxkämpfe von Muhammad Ali auf, der damals noch Cassius Clay hieß, und zu dessen Kämpfen Väter ihre Söhne mitten in der Nacht geweckt haben – nicht nur in Heilbronn. Wir erinnern uns mit dem Autor an längst vergangene Fernsehsendungen, die man gemeinsam ansah: Komödienstadl, Der Blaue Bock, Häberle und Pfleiderer. Wir lesen von der Begeisterung des Vaters für Asterix-Hefte und von den obligatorischen sonntäglichen Familienausflügen. Der Leser wundert sich über das sorglose Zigarettenrauchen: Ernte 23 hieß die Marke des Vaters, sie stand für Solidität und Zuverlässigkeit. Marken waren wichtig und gaben Orientierung im wirtschaftlichen Aufschwung dieser Zeit. Ein Aufschwung, an dem auch die Familie Moritz teilhat, dank der guten Position des Familienoberhaupts als Einkaufsleiter eines Bauunternehmens.

Besonders stark und anschaulich schildert Moritz Erinnerungen, die mit sinnlichen Eindrücken verbunden sind, etwa den immer gleichen Speiseplan an Heiligabend mit der – auch für andere Kinder – unaussprechbaren Soße:

„Vater wurde nie müde, die Kochkünste seiner Frau zu loben. Es mit einer Frau ohne diese Fähigkeiten auszuhalten wäre wohl unmöglich für ihn gewesen. So wie Pasteten mit Ragoût Fin ohne Zitrone und ohne ein paar Spritzer Worcestersoße undenkbar gewesen wären. Eine rätselhafte Tinktur, die aus England kam und deren Aussprache meinen Bruder überforderte. Wotschestersoße.“

Die Erzählperspektive wechselt, mal erinnert sich das Kind, mal der Jugendliche, mal der erwachsene Sohn. Das erlaubt Rainer Moritz, auch mit rigideren Haltungen des Vaters insgesamt verständnisvoll umzugehen, ohne unglaubwürdig zu werden: mit über 50 empfindet man vieles anders als mit 16 oder 30.

Was wissen wir voneinander?

Gut ist auch, dass manche Fragen unbeantwortet bleiben, beispielsweise wenn Moritz das künstlerische Talent seines Vaters anhand eines Ölbildes, einer Kopie des Gemäldes „Pferde im Gewitter“ von Alfred Roloff, untersucht: „Was hat Vater in diesem Bild gesehen? (…) Ahnte er, dass andere dieses Bild gerade wegen seiner Dynamik, seiner kraftstrotzenden Körper schätzten? Wie Adolf Hitler.“ Der Sohn bedauert, den Vater nie malend erlebt zu haben, erkennt hierin aber auch starke Eigenanteile: „Gern wäre ich stolz auf ihn als Künstler gewesen (…) Eine Wunschvorstellung.“

Ein paar Mal muss der Sohn feststellen, Wesentliches über den Vater nicht zu wissen. Er beschreibt das Schweigen zwischen Eltern und Kindern, das gerade in den 50er- und 60er-Jahren nicht ungewöhnlich war. „Der pragmatische Realitätssinn meiner Eltern blockierte Gespräche über Existenzielles.“

Rainer Moritz Mein Vater, die Dinge und der TodImmer wieder verwebt der Autor sprachlich gekonnt seine Familienerinnerungen mit Zeitgeschichte. So bietet er dem Leser viele Möglichkeiten zur Identifikation. Das geht bis hin zu den inneren Konflikten bezüglich geerbter Kleidungsstücke: tadellos erhalten, aber nicht wirklich den eigenen Geschmack treffend. Dennoch bringt man es nicht übers Herz, sie in die Altkleidersammlung zu geben. Nicht nur des stillen Vorwurfs wegen, nein, zu sehr steht die „helle, fast weiße Windjacke von C&A“ für die geliebte Person.

Ein gelungenes Portrait

Moritz ist mit seinem Text ein persönliches, oft anrührendes Portrait seines Vaters gelungen. Indem der Autor seine Trauer und den Verlust verarbeitet, bringt er den Leser mit leiser Melancholie zum Nachdenken über das Leben, die Menschen und Dinge, die uns prägen, und über die Frage, was von uns bleibt.

Informationen zum Buch

Rainer Moritz
Mein Vater, die Dinge und der Tod
Verlag Antje Kunstmann GmbH, München
ISBN 978-3-95614-257-4
EUR 20,00

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Wie geht‘s dem Buch?

Rücken an Rücken beim Tübinger Bücherfest. Schöne Postkarte Nr. 230 · © 2018

Rücken an Rücken beim Tübinger Bücherfest. Schöne Postkarte Nr. 230 · © 2018

Lesen Sie noch Bücher?

Heute beginnt in Frankfurt die Buchmesse 2018, wichtigstes Branchenevent und der Jahrmarkt der Eitelkeiten für Autoren, Verleger und Journalisten. Dabei sieht es gar nicht gut aus für das Buch im Land der Dichter und Denker. „Die Schere zwischen Buchkäufern und Nichtkäufern geht weiter auseinander. Nur noch 46 Prozent der Bevölkerung, weniger als die Hälfte, treten im Buchhandel als Käufer in Erscheinung“, kann man auf der Homepage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nachlesen. Leider steht da nicht, wie viele Abonnenten Netflix in den letzten Jahren gewonnen hat. Wäre interessant, das mal zu vergleichen.

6,1 Millionen Buchkäufer gingen den Verlagen zwischen 2012 und 2016 verloren. Dieser sinkenden Zahl von Buchkäufern und leider auch regelmäßigen Buchleserinnen und -lesern, steht die beeindruckende Zahl von mehr als 70.000 Neuerscheinungen pro Jahr gegenüber. Aber wie bringt man die Leute dazu, wieder mehr Bücher zu lesen? Das Handelsblatt hat heute vorgeschlagen, das Buch als Medium zur Entschleunigung zu vermarkten.

Marcel Proust: Lektüre eines Lieblingsbuchs · Schöne Postkarte Nr. 74 · © 2018

Marcel Proust: Lektüre eines Lieblingsbuchs · Schöne Postkarte Nr. 74 · © 2018

Erinnern Sie sich noch an Ihr Lieblingsbuch in der Kindheit?

P.S. Besondere Postkarten zum Thema Lesen gibt’s auf der Homepage von Schöne Postkarten zu sehen; und in Tübingen in diesen Geschäften zu kaufen.

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Morning again – a poem by Jack Ridl

October morning in Ecussols, Burgundy. Photograph: Norbert Kraas

October morning in Ecussols, Burgundy. Photograph: Norbert Kraas

Morning Again

This poem will not be
anything new, will slowly
make its way across
the page and down, a walk
from here to somewhere
later on, will take its place
quietly, I hope, with the leaves,
the dog asleep on the porch,
the way the garden keeps giving
us plants, the way the wind
is invisible, the way none of us
can ever know for sure.

Jack Ridl

For more poems of Jack, visit his website which you can also subscribe to. His books you will find at Wayne State University Press and in any decent bookstore in your town. Jack’s new book “Saint Peter and the Goldfinch” will come out in April 2019.

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Freitagsfoto: Lesen geht durch den Magen

Kochen macht klug

Lesen ist out! Jahr für Jahr verliert der Buchmarkt hundertausende von Buchkäufern, so schrieb der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vor einer Weile. Sechs Millionen Käufer haben die Buchhändler allein zwischen 2012 und 2016 verloren. Das ist viel. Ich frage mich, was diese Leute ohne Bücher machen? Und nutzen diese Nicht-mehr-Buchkäufer die Zeit für andere schöne Beschäftigungen? Kochen zum Beispiel und mit Freunden und ein paar Flaschen Wein um den Tisch sitzen? Eher nicht, denn Kochen sei out, Auftauen in, konnte man vor gut einem Jahr in der Wirtschaftswoche lesen.

Der literarische Küchenkalender

Wie harmonisch Literatur und Küche zusammenpassen, beweist ein ganz besonderer Küchenkalender, den die Autorin und Journalistin Sybil Gräfin Schönfeldt seit vielen Jahren herausgibt. Früher hieß er Arche Küchenkalender, heute erscheint Der literarische Küchenkalender im Verlag Edition Momente. Außer dem Namen und dem herausgebenden Verlag hat sich aber nichts geändert.

Apfel-Brathuhn wird in Ikarien, dem Roman Uwe Timm gereicht. Das Rezept samt Zitat gibt's am 23.9.2019.

Am 23.9.2019 gibt es Apfel-Brathuhn aus Ikarien.

Dieser Kalender ist eine Bereicherung für jede Küche, bringt er uns doch 52 Autorinnen und Autoren mit 52 kulinarisch-literarischen Zitaten näher. Dazu gibt es immer ein passendes, gut nachzukochendes Rezept aus den zitierten Texten. Das Kalenderblatt der Woche ziert darüber hinaus ein Autorenfoto sowie eine Fotografie oder eine Illustration.

„Frau Sachs sagte, das Essen ist fertig. Sie hatte gedeckt, das Huhn in ein Apfel-Brathuhn verwandelt. Die Äpfel lagen von der letzten Ernte in Seidenpapier eingewickelt im Keller. Schönen Abend noch, verabschiedete sich Frau Sachs.
Aus Ikarien. Roman von Uwe Timm“

Das Rezept für das Apfel-Brathuhn verrät uns der literarische Küchenkalender in der Woche vom 23. bis 29. September 2019 – rechtzeitig zur Apfelernte. Das Zitat von Uwe Timm hat mich jetzt schon neugierig gemacht. Gut möglich, dass es am 28. September 2019 bei uns Apfel-Brathuhn gibt, und wir das Buch bis dahin gelesen haben.

Immer wieder nett finde ich es übrigens, wenn ich in unserer Küche auf Autoren treffe, von denen ich schon etwas gelesen habe. Am 23. Juli dieses Jahres ist mir Robert von Ranke-Graves mit einer Passage aus seinem Roman Strich drunter! begegnet. Ranke-Graves zählt zu den englischen Kriegsdichtern (War Poets), die ihre traumatischen Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg in Gedichten und Romanen verarbeitet haben. Seine bewegende Autobiographie habe ich diesen Sommer gelesen. Darin kommen auch die Süßen Möhren vor, die Ranke-Graves, der eine deutsche Mutter hatte, so gerne in Bayern gegessen hat.

Guten Appetit!

Lesen Sie und kochen Sie! Und wenn Sie Anregungen brauchen, hängen Sie sich diesen Kalender in die Küche.

Bereit für genussvolle Stunden. Schöne Postkarte Nr. 1 · La vie est belle en Bourgogne · © 2017

Bereit für genussvolle Stunden. Schöne Postkarte Nr. 1 · La vie est belle en Bourgogne · © 2017

 

Information

Der literarische Küchenkalender 2019
Hg. v. Sybil Gräfin Schönfeldt
Edition Momente Verlag
60 Blätter, 31,5 × 19,2 cm (Höhe x Breite)
ISBN 978-3-0360-4019-6

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Freitagsfoto: Kompost, Schaufel, Gartenglück

„Einen Komposthaufen zu bauen, ist eine beglückende und faszinierende Aufgabe, doch dürfen wir nicht in den Irrtum verfallen, wir könnten Kompost selbst machen. Gute Komposterde entsteht auch nicht von selbst, sondern sie ist das Werk ungezählter Bodenorganismen, vom kleinsten Bakterium bis zum Regenwurm.“

Kompost, eine Anleitung

Als ich diesen Satz zum ersten Mal in dem kleinen Büchlein „Kompost: Gold im Biogarten“ gelesen habe, musste ich schmunzeln. Kompost und Glück, diese beiden Dinge hatte ich bisher noch nicht zusammengebracht. Heute, einige paar Komposthaufen später, gebe ich zu: Kompostieren ist faszinierend und erfüllt mit Zufriedenheit. Dabei ist das richtige Kompostieren kein Hexenwerk.

Die Benediktinerinnen der Abtei Fulda haben eine verständliche und praktikable Anleitung zum Thema Kompostieren verfasst. Auf etwas mehr als 80 Seiten erfahren wir in acht Kapiteln alles Wissenswerte zum Kompostieren im Garten: von den biologisch-technischen Grundlagen bis hin zu nachvollziehbaren, praktischen Anleitungen zum Bauen der unterschiedlichsten Komposte. Mir hat es besonders die Schnellkompostmethode nach M.E. Bruce angetan, bei der mit Hilfe des wundersamen Kräuterpulvers Humofix® der Sommerkomposthaufen rund sechs bis acht Wochen bis zur Reife braucht. Hat funktioniert!

True Temper heißt meine Schaufel, die beste, die ich je in Händen hatte.

True Temper heißt meine Schaufel, es ist die beste, die ich je in Händen hatte.

Im Herbst dauert es acht bis zwölf Wochen. Vorausgesetzt man hält sich an die Anleitung der klugen Benediktinerinnen mit dem grünen Daumen. Ist der Kompost fertig, muss er nur noch gesiebt werden und dann kann’s losgehen mit dem Einarbeiten der frischen Erde ins Blumen- oder Gemüsebeet.

Herbstfest bei den Staudenmädchen in Tübingen

Und was pflanzen wir jetzt im Herbst, wenn dieser viel zu heiße und viel zu trockene Sommer endlich mal nachlässt? Wie wäre es am Wochenende mit einem Besuch bei den Staudenmädchen der Staudengärtnerei Erika Jantzen in Tübingen? Beim Herbstfest am 22./23. September gibt es jeweils von 10 bis 17 Uhr reichlich Inspiration und dazu kundige Beratung zum Thema Pflanzen, Garten und Gärntern.

Wussten Sie übrigens, dass auch Unkraut jäten glücklich machen kann? Haben wir bei Virginia Woolf gelesen, die, wie ihre Geliebte Vita Sackville-West, viel Zeit in ihrem Garten verbracht hat. Die Postkarte mit dem Zitat von Woolf und dem Foto von Sissinghurst stammt übrigens aus unserer Serie Schöne Postkarten, die es beim Herbstfest von Erika Jantzen auch zu kaufen gibt.

Schöne Postkarte Nr. 2 · Virginia Woolf: Unkraut jäten im Garten · © 2017

Schöne Postkarte Nr. 2 · Virginia Woolf: Unkraut jäten im Garten · © 2017

Schöne Postkarte Nr. 13 · Dig in the Garden, George Bernard Shaw · © 2018

Schöne Postkarte Nr. 13 · Dig in the Garden, George Bernard Shaw · © 2018

Informationen zum Buch

Kompost: Gold im Biogarten
Abteil zur Hl. Maria in Fulda (Hg.)
8. überarbeitete Neuauflage 2017
zu beziehen im Klostershop

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