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Where’s Tina?

„Es ist kein Verlaß auf die Erinnerung, und dennoch gibt es keine Wirklichkeit außer der, die wir im Gedächtnis tragen.“ (Klaus Mann)

Erinnerung an Tina Turner

Vor zwei Tagen, am 24. Mai, ist Tina Turner gestorben. Wie kann das sein? Haben wir nicht immer geglaubt, dass die Heldinnen und Helden unserer jungen Jahre niemals sterben? Und jetzt Tina Turner. Ich spare mir einen Nachruf, den hat Willi Winkler heute in der Süddeutschen ganz wunderbar geschrieben. Kann man hier (Paywall) nachlesen, lohnt sich.

Ich habe Tina Turner vor mehr als 30 Jahren in der Stuttgarter Schleyerhalle gesehen. Es war eines der besten Konzerte, das ich je besucht habe. Wir standen auf der rechten Seite, nur wenige Meter von der Bühne entfernt. Es war unglaublich! Diese Künstlerin hatte derart viel Energie: in der Stimme, in den Lungen, in ihrem Körper. Es fühlte sich an wie ein gewaltiger, betörend-betäubender Rock ’n‘ Roll-Tsunami, der sich da von der Bühne tanzend, singend, kreischend über uns Zuschauer wälzte. Was für eine Power Tina Turner hatte, kann man sehr schön in dem Videoclip des Live-Aid-Konzerts 1985 sehen. Sie singt und tanzt Mick Jagger glatt an die Wand. Empfehlung: Lautstärke hoch und anschauen.

Und wenn ich ganz fest die Augen schließe, bilde ich mir noch heute ein, Tina Turner hätte mir bei ihrem Auftritt für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen geschaut. Aber wahrscheinlich hat Klaus Mann recht: „Es ist kein Verlaß auf die Erinnerung“. Aber egal:

„I know it’s only rock ’n‘ roll but I like it, like it, yes, I do“

NK | CK

PS: Was war euer bestes Konzert?

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Lesekompetenz und Mülltrennung

Wenn ich den Mülltrennungsweltmeister Deutschland einem Bild erklären möchte ...

Wenn ich den Mülltrennungsweltmeister Deutschland einem Bild erklären möchte …

Lesekompetenz: Fehlanzeige

Kann es sein, dass uns Mülltrennung einfach wichtiger ist als Lesen, Schreiben, Bildung? Und nein, wir werden das Problem nicht lösen, indem wir alle Schulen und Kitas mit iPads zuschütten. Alles zur neuen IGLU-Studie „Lesekompetenz“ hier im DLF zusammengefasst.

>>> Hörtipp: Interview mit der Kinderbuchautorin Kirsten Boie, die sich seit Jahren für Sprachförderung und Lesekompetenz einsetzt. 

Euch / Ihnen allen einen schönen Feiertag!

Schöne Postkarte Nr. 106 · Im Land des Lesens versunken · © www.schoenepostkarten.de

Im Land des Lesens versunken · © www.schoenepostkarten.de

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Eisheiliges Sauwetter

Zartrosa leuchten die Quittenblüten im kalten Regen

Zartrosa leuchten die Quittenblüten im kalten Regen

Sauwetter!
wie sie leuchten
die Blüten der Quitte

Kranō

Kalte Sophie

Hand aufs Herz, wer kann die fünf Eisheiligen aufsagen? Ich muss auch jedes Jahr im Kalender nachschauen, wer da die eisheiligen Wetterkapriolen für alle Hobbygärtnerinnen und -gärtner bereit hält. Dabei hat Oma Liesel, ein Expertin in Sachen Krautland (Hochdeutsch: Nutzgarten) und Heilige, mit mir die Namen so oft geübt.

Los geht’s am 11. Mai mit Mamertus, der im 5. Jahrhundert Erzbischof von Vienne war. Dann folgt am 12. Mai Pankratius, ein Märtyrer der frühen christlichen Kirche, auch Schutzpatron der jungen Saat und der Blüten. Weiter geht’s am 13. Mai mit Servatius, Bischof von Tongern im 4. Jahrhundert; ihn anzurufen soll gegen Ratten, Mäuse, Fußleiden und Fieber helfen. Bonifatius von Tarsus ist der vierte Eisheilige, ein Märtyrer, der um 306 n. Chr. schrecklich gefoltert und mit siedendem Pech hingerichtet wurde; er ist der Schutzheilige der Bierbrauer, und wir lesen, dass er in jungen Jahren gerne gefeiert, getrunken und gewürfelt hat. Den Abschluss der Eisheiligen macht am 15. Mai die frühchristliche Märtyrerin Sophia, die vermutlich um 300 n. Chr. starb. Bei der Oma hieß sie nur Kalte Sophie, grade so wie eine alte Bekannte, mit der man sich über den Gartenzaun unterhält.

Die Bauernregel lautet übrigens, dass man erst nach der Kalten Sophie mit der Saat beginnen soll, weil erst dann das mildere Frühlingswetter stabil ist. Nun, der Klimawandel wird auch hier einiges durcheinanderwerfen in der Zukunft. Aber in diesem Jahr machen die Eisheiligen ihrem Namen – zumindest in der Region Tübingen – alle Ehre. Während ich diese Zeilen schreibe, regnet es mal wieder (sehr gut für den Grundwasserspiegel, wie der Dürremonitor zeigt!), und das Thermometer quält sich mühsam über die 12-Grad-Marke.

Nasse Haiku

Dass kaltes, regnerisches Sauwetter durchaus inspirierend sein kann, entnehmen wir dem Haiku-Band „Weisse Tautropfen – 300 Haiku zu Regen und Nebel und Meer …“. Das schmale Buch versammelt Haiku aus den unterschiedlichsten Epochen von bekannten und (mir) unbekannteren japanischen Dichterinnen und Dichtern. Kenntnisreich zusammengestellt wurde die lesenswerte Sammlung von der deutschen Philosophin Ute Guzzoni und der japanischen Philosophieprofessorin Michiko Yoneda. Die 300 Haiku werden ergänzt durch einen einleitenden Aufsatz von Ute Guzzoni zum Auswahl- und Übersetzungsprozess und ein paar Gedanken zum Haiku von Michiko Yoneda. Für diejenigen, die der japanischen Sprache mächtig sind: die Haiku sind sowohl auf Japanisch als auch in Transkription abgedruckt.

Das Haiku am Anfang unseres heutigen Beitrags wurde inspiriert durch ein Haiku von Hino Sōjō:

Regenschauer –
so herrlich noch
die letzten Chrysanthemen

Hino Sōjō

Frühlingswolken und Frühlingsgräser in Waldhausen

Frühlingswolken und Frühlingsgräser in Waldhausen

Und sehr passend zu diesem nassen, idealen Pflanzwetter dichtete Takahama Kyoshi:

Frühlingswolken
am Himmel – auf der Erde
Frühlingsgräser

Takahama Kyoshi

In diesen Sinne, genießt das Wetter, wir können’s nicht ändern.

NK | CK

PS: Wer die Gunst der nassen Stunde nutzen möchte und Pflanzen für den Balkon oder Garten sucht: an diesem Wochenenende öffnet die feine Stauden- und Kräutergärtnerei von Erika Jantzen in Tübingen ihre Pforten, jeweils Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Ein Besuch dort lohnt sich bei jedem Wetter, und sei’s nur zum Schauen und für ein Glas Rosé im Gartencafé. Alle Infos hier.

Buchinformation

Weisse Tautropfen: 300 Haiku zu Regen, Nebel und Meer …
ausgewählt und übertragen von Ute Guzzoni und Michiko Yoneda
Taschenbuch, Parerga Verlag, Berlin, 2006
ISBN: 3937262423
leider nur noch antiquarisch erhältlich

Albert Christian Sellner
Immerwährender Heiligenkalender
Leineneinband, 2. Auflage 1999
Zweitausendeins, Frankfurt
ISBN: 3-86150-282-8

Gertrude Jekyll (1843 – 1932) war ein berühmte englische Gartengestalterin · © www.schoenepostkarten.de · Sauwetter

Gertrude Jekyll (1843 – 1932) war ein berühmte englische Gartengestalterin · © Schöne Postkarten, Tübingen

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Freitagsfoto: Glück aus dem Kaugummiautomaten

Zwischen 400000 und 600000 Kaugummiautomaten gibt es noch in Deutschland. Es waren mal viel mehr.

Zwischen 400.000 und 600.000 Kaugummiautomaten gibt es noch in Deutschland

John F. Kennedy
hat einen Kaugummi
spuckt ihn wieder aus
und du bist raus

Wisst ihr noch, als das Glück nur 10 Pfennig gekostet hat, auf dem vertrödelten Nachhauseweg von der Schule? Welche Abzählreime habt ihr aufgesagt?

Euch allen ein schönes Wochenende!

NK | CK

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Der Trost der Bäume

In voller Pracht zeigt sich dieser alte Birnbaum am Schönbuchrand bei Waldhausen im Tübinger Norden

In voller Pracht zeigt sich dieser alte Birnbaum am Schönbuchrand bei Waldhausen im Tübinger Norden

Ende eines Sommers

Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume!

Wie gut, daß sie am Sterben teilhaben!
Die Pfirsiche sind geerntet, die Pflaumen färben sich,
während unter dem Brückenbogen die Zeit rauscht.

Dem Vogelzug vertraue ich meine Verzweiflung an.
Er mißt seinen Teil von Ewigkeit gelassen ab.
Seine Strecken
werden sichtbar im Blattwerk als dunkler Zwang,
die Bewegung der Flügel färbt die Früchte.

Es heißt Geduld haben.
Bald wird die Vogelschrift entsiegelt,
unter der Zunge ist der Pfennig zu schmecken.

Dieses Gedicht stammt von Günter Eich, der neulich Einzug in unser Regal gehalten hat. Eich war mir bis dato kein Begriff, aber das will nichts heißen. Der Dichter (1.2.1907 – 20.12.1972) zählt, so habe ich bei „Lyrikline.org – listen to the poet“ gelesen, zu den wichtigsten Autoren im Nachkriegsdeutschland. Auf der Seite von Lyrikline kann man Günter Eich hören, wie er sein Gedicht rezitiert. Eich war mit der österreichischen Schriftstellerin Ilse Aichinger verheiratet, die den schmalen Band Nr. 368 aus der Bibliothek Suhrkamp mit Gedichten ihres Mannes zusammengestellt hat.

Diese Woche am Dienstag war übrigenes der Internationale Tag des Baumes. Seien wir gut zu den Bäumen, wir brauchen ihren Trost.

NK | CK

PS: Und wie es manchmal so ist, hat uns dieses Gedicht gleich zu einer neuen Postkarte inspiriert, die vor ein paar Tagen aus der Druckerei kam.

„Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume!“ · Nr. 133 · © Schöne Postkarten, Tübingen

„Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume!“ · © Schöne Postkarten, Tübingen

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Fältchen und Falten

Wie kaum eine andere Blume symbolisieren Tulpen den Frühling

Wie kaum eine andere Blume symbolisieren Tulpen den Frühling

Aus Fältchen
werden Falten –
schau, die Tulpen blühen

Kranō

Auch wenn der April ja macht, was er will, der Frühling ist nicht mehr aufzuhalten. Überall blüht und sprießt es. Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtner haben jetzt reichlich zu tun, vor allem dann, wenn sie nicht nur Blumen und Stauden ziehen, sondern auch Gemüse anbauen. So wie Tom und Gerri, die beiden Hauptfiguren des Films, den wir euch heute empfehlen. Another Year des britisches Regisseurs Mike Leigh lief erstmals 2010 auf dem Festival in Cannes. Für uns zählt Another Year zu unseren Lieblingsfilmen, die man einfach immer wieder anschauen kann und dabei neue Aspekte entdeckt.

Das gewöhnliche Leben

Der Regisseur Mike Leigh (80) ist ein Meister, wenn es darum geht, den gewöhnlichen Alltag normaler Menschen in einer modernen Gesellschaft, in diesem Fall der britischen, zu zeigen. Er wolle außergewöhnliche Filme über das gewöhnliche Leben machen, hat Leigh sinngemäß mal gesagt. Another Year ist ein außergewöhnlicher Film, in dessen Zentrum das Ehepaar Gerri (Ruth Sheen) und Tom (Jim Broadbent) stehen. Um diese beiden zufriedenen Hobbygärtner kreisen verschiedene mehr oder weniger gebrochene, strauchelnde Figuren; es sind Freunde und Verwandte, denen Tom und Gerri – so gut es eben geht – Stütze sind, ohne dabei ihre eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren.

Die Handlung gliedert sich in vier Episoden – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und es lohnt sich sehr, sich auf diesen ruhigen Film einzulassen. Denn Mike Leigh würdigt nicht nur die beiden Protagonisten, die in Zufriedenheit älter geworden sind, sondern er zeigt uns im Kontrast den alltäglichen Kampf von Menschen, die an den vielfältigen Herausforderungen einer modernen Leistungsgesellschaft scheitern und alleine nicht weiter kommen. Alle Schauspieler sind in ihren Rollen einfach großartig! Man hat das Gefühl, ihnen beim Leben zuzuschauen.

Der Film ist als DVD und bei Streamingdiensten erhältlich. Hier der Trailer:

Schönes Wochenende!

NK | CK

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Postkarten schreiben mit neuen Motiven

Genau hinschauen heißt es bei der Druckabnahme

Genau hinschauen heißt es bei der Druckabnahme

Drucken ist ein Abenteuer

Dieser Satz stammt von HAP Grieshaber, dem großen Holzschneider, der sein Atelier am Fuße der Achalm hatte – nur wenige Kilometer von der Druckerei entfernt, wo wir letzte Woche neue Motive für unsere Serie Schöne Postkarten gedruckt haben. So eine Druckabnahme ist zeitaufwendig und anstrengend, schließlich wollen wir als Fotografen, dass die Motive exakt so auf dem Papier stehen, wie wir uns das beim Fotografieren vorgestellt haben. Jetzt trocknen die Karten gerade, bevor sie dann geschnitten und an uns ausgeliefert werden. Wir freuen uns sehr über unsere neuen Motive.

Postkarten zu Tübingen:

Nr. 18 · Steinlachufer mit Blick Richtung Österberg · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 18 · Steinlachufer mit Blick Richtung Österberg · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 33 · Auf dem Tübinger Marktplatz · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 33 · Auf dem Tübinger Marktplatz · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 47 · Bebenhausen: Spaziergang im Schönbuch · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 47 · Spaziergang im Tübinger Schönbuch mit Blick auf Bebenhausen · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 31 · Blick auf Neckarbrücke und Tübinger Altstadt · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 31 · Blick auf Neckarbrücke und Tübinger Altstadt · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 135 · Frühlingserwachen am Hölderlinturm · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 135 · Frühlingserwachen am Hölderlinturm · © Schöne Postkarten, Tübingen

Neue Postkarten zum Thema Natur und Garten:

Schöne Postkarte Nr. 16 · Gartenarbeit macht Seele gesund · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 16 · Gartenarbeit macht die Seele gesund · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 15 · Die Liebe zum Gärtnern · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 15 · Die Liebe zum Gärtnern · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 133 · Der Trost der Bäume · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 133 · Der Trost der Bäume · © Schöne Postkarten, Tübingen

Und neue Motive für den Winter:

Schöne Postkarte Nr. 132 · Winteridyll am Neckar · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 132 · Winteridyll am Neckar · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 131 · Winterzauber am Neckar · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 131 · Winterzauber am Neckar · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 130 · Winterbad der Schwäne · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 130 · Winterbad der Schwäne · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 127 · Tübingen, ein Wintermärchen · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 127 · Tübingen, ein Wintermärchen · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 125 · Winterzauber in Tübingen · © Schöne Postkarten, Tübingen

Nr. 125 · Winterzauber in Tübingen · © Schöne Postkarten, Tübingen

Entgegen aller Unkenrufe sind Postkarten übrigens längst nicht tot. Und vielleicht ist es ja so, dass dieses Übermaß an elektronischer Kommunikation, der wir ausgesetzt sind, dem entschleunigenden und stilvollen Medium Postkarte zu neuer Popularität verhilft. In diesem Sinne:

Denkt an eure Freunde und schreibt Postkarten!

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Pflaumenblüte am Hölderlinturm

Unter der Pflaumenblüte am Hölderlinturm der erste Stocherkahn des Jahres

Unter der Pflaumenblüte am Hölderlinturm der erste Stocherkahn des Jahres

Komm, wir lassen uns treiben
unter der Pflaumenblüte
im Stocherkahn

Kranō

Vor dem Beginn der für Japan so wichtigen Kirschblüte ist die Pflaumenblüte ein deutliches Zeichen, dass der Winter dem Frühling weicht. In Japan stehen die Blüten des Pflaumenbaums (Ume) für Vitalität, Hoffnung und Regeneration. Die eleganten Pflaumenblüten werden auch mit Glück und Gesundheit verbunden, weil sie ihre Schönheit zu einer Zeit zeigen, in der es zumindest kurzfristig noch empfindlich kalt werden kann – wie man diese Woche auch in Tübingen erleben konnte.

Dass die Pflaumenblüte das Ende des Winters markiert, bringt ein Haiku von Yosa Buson (1716 – 1784) in der Übertragung von G. S. Dombrady sehr schön zum Ausdruck:

Erblühen sie, die Pflaumenbäume,
werden die Schneebälle
alle kleiner

Wie die Kirschblüte erinnert uns auch die Pflaumenblüte an unsere eigene Vergänglichkeit. Nochmal Buson:

Der Pflaumenbaum am Ufer:
Fallen seine Blüten ins Wasser,
trägt der Fluss sie weg!

Oder um es mit Hölderlins Hyperion zu sagen:

„Aber es geht alles auf und unter in der Welt, und es hält der Mensch mit aller seiner Riesenkraft nichts fest.“

Frohe Ostern!

NK | CK

Buchinformation

Buson
Dichterlandschaften. Eine Anthologie
Übertragung, Einführung, Annotationen von G. S. Dombrady
Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz, 1992

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Klimadebatte wird tiefergelegt

Till Schweiger, einer der großen Intellektuellen unserer Zeit in Höchstform

Krawall verkauft, Krawall gibt Klicks: Bild vom 30. März 2023

Nur wenige Stunden nach dem Ende der ermüdenden Endlossitzung des Koalitionsausschusses der Ampelfrauen und -männer hat sich einer der großen deutschen Charakter- und Selbstdarsteller dazu entschlossen, die Klimadebatte tieferzulegen.

Winterdürre: Wort des Jahres?

Es ist irre! In der Antarktis schmilzt der gewaltige Thwaites-Gletscher, den manche auch den Gletscher des Jüngsten Gerichts nennen, mit einer Geschwindigkeit, die uns große Sorgen machen sollte; Deutsche, Franzosen und Italiener mussten diesen Winter einer neues Wort lernen: Winterdürre. Und die Koaliton? Die beschließt den Neubau von Autobahnen, aber selbstverständlich kein Tempolimit. Dabei wäre ein Tempolimit eine einfache, schnell einzuführende Maßnahme zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Das Umweltbundesamt geht von einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs durch die Verringerung der durchschnittlichen Geschwindigkeit (Tempolimit 120 km/h) um 2,9 Prozent aus: Quelle. Klar, ein Tempolimit rettet nicht das Weltklima, aber es wäre auch mehr als bloß ein Zeichen.

Verpennen wir den Klimaschutz?

Die Publizistin und Philosophin Carolin Emcke geht in ihrem aktuellen SZ-Podcast „In aller Ruhe“ unter anderem der Frage nach, warum wir uns so schwer tun mit einschneidenden, aber dringend notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz. Sie spricht dazu mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes Prof. Dr. Dirk Messner, der betont, dass wir viel schneller werden müssen in Sachen Klimaschutz. Die ganze Sendung kann man hier nachhören. Es lohnt sich sehr!

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„On the Bus to Poland“ – Lyrik für die Ukraine

Die Sonnenblume ist die Nationalblume der Ukraine, nirgendwo werden so viele Sonnenblumen angebaut.

Die Sonnenblume ist die Nationalblume der Ukraine, nirgendwo werden so viele Sonnenblumen angebaut.

Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine

Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine überfallen und führt seitdem einen brutalen Krieg gegen dieses Land. Fast 19 Millionen Menschen sind geflohen, mehr als acht Millionen ukrainische Flüchtlinge hat die EU aufgenommen. Allein 1,5 Millionen Menschen haben in Polen Aufnahme gefunden, rund eine Million Menschen aus der Ukraine sind in Deutschland registriert.

Wie das ist, wenn die Bewohner:innen einer Stadt von russischen Invasoren in die Flucht getrieben werden, zeigt die erschütternde arte-Dokumentation „Die Überlebenden von Mariupol“, die man in der Mediathek anschauen kann. Unweigerlich fragt man sich, wie  das wäre, wenn man gerade mal eine Tasche mit dem Nötigsten auf die Flucht in ein unbekanntes Land mitnehmen könnte?

Dichten für die Ukraine

Der amerikanische Dichter Jack Ridl hat versucht, sich in diese Fluchtsituation hineinzuversetzen. Sein Gedicht „On the Bus to Poland“ wurde mit Arbeiten anderer Dichter:innen in der Anthologie „Busy Griefs, Raw Towns“ von Schuler Books, Grand Rapids (Michigan, USA) veröffentlicht. Der gesamte Erlös vom Verkauf des Buches kommt den Opfern des Krieges in der Ukraine zugute.

Am 24. Februar 2023 haben Jack Ridl und die anderen Dichterinnen und Dichter ihre Werke in Grand Rapids vorgetragen, hier ein Auszug.

On the Bus to Poland

Where’s Daddy?
I don’t know.
Tell me why you don’t know.
I don’t know why I don’t know.
When will we know?
I don’t know. I wish I did.
Does Daddy know where we are?
You mean on this bus?
Yes.
I think he does. I hope he does.
I’m hungry.
I know.
I’m thirsty, too.
I know.
Do we have anything?
We will later. I hope.
How much is later?
I don’t know.
Where are we going?
A new country. Its name is Poland.
Is it like where we live?
Kind of.
Are the people like us?
I think so.
Are they nice?
I’m sure they must be.
Does Daddy know we’re going there?
I think he does, yes.
Will my friends be there when we get there? I’m hungry.
I know you are.
My friends. Will they be there?
I don’t know. That would be nice.
Did you bring Suzzy?
I did. Suzzy’s in that big bag.
There are a lot of trees here.
Yes, there are.

– Jack Ridl

Wir bringen das Gedicht im englischen Original mit freundlicher Erlaubnis des Autors und haben es selbst übersetzt. Informationen über Jack Ridl gibt es auf seiner Homepage, sein letztes Buch haben wir im Reklamekasper hier vorgestellt.

Im Bus nach Polen

Wo ist Papa?
I weiß nicht.
Sag mir, warum du’s nicht weißt.
I weiß nicht, warum ich es nicht weiß.
Wann werden wir es wissen?
Ich weiß nicht. Ich wünschte, I wüsste es.
Weiß Papa, wo wir sind?
Du meinst in diesem Bus?
Ja.
Ich glaube ja. Ich hoffe, er weiß es.
Ich bin hungrig.
Ich weiß.
Ich bin auch durstig.
Ich weiß.
Haben wir irgendwas?
Später, ja. Ich hoffe.
Wie viel ist später?
Ich weiß nicht.
Wo fahren wir hin?
In ein neues Land. Es heißt Polen.
Ist es so wie da, wo wir leben?
Irgendwie schon.
Sind die Leute wie wir?
I glaub’ schon.
Sind sie nett?
Ich bin bin sicher, dass sie nett sind.
Weiß Papa, dass wir dorthin gehen?
Ich glaube ja.
Werden meine Freunde da sein, wenn wir dort ankommen? Ich bin hungrig.
Ich weiß, dass du Hunger hast.
Meine Freunde. Werden sie da sein?
Ich weiß es nicht. Es wäre schön.
Hast du Suzzy mitgenommmen?
Hab’ ich. Suzzy ist in der großen Tasche.
Hier gibt’s ne Menge Bäume.
Ja, die gibt es.

NK | CK