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Hunde lesen Menschen

Menschen lesen Bücher, Hunde lesen Menschen. Neulich im Antiquariat Bader, Tübingen

Menschen lesen Bücher, Hunde lesen Menschen: neulich im Antiquariat Bader in Tübingen

Alle Fragen, alle Antworten

Neulich waren wir wieder mal bei Norbert Schuler in seinem beeindruckenden Antiquariat in der Tübinger Wilhelmstraße. Da ist mir diese schöne Deutsche Dogge vor die Linse gelaufen. Gelassen und ganz vorsichtig hat sich dieser große Hund zwischen den Regalen und vielen Bücherstapeln bewegt, während sein zweibeiniger Partner auf einer Leiter nach Buchschätzen gestöbert hat. Wir mussten spontan an Kafka denken, der 1922 in »Forschungen eines Hundes« schrieb:

Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und alle Antworten sind im Hund enthalten.

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PS: Das Antiquariat Bader ist übrigens eine Tübinger Institution und hat Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Samstag von 10 bis 14 Uhr. Ein Besuch lohnt sich immer, gerade weil man die Bücher findet, die man nicht gesucht hat.

Nr. 141 · Kneipe, Bar, Freund, Auf den Hund gekommen | © Schöne Postkarten

Besser ein Hund als Freund… | © Schöne Postkarten | Nr. 141

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Wim Wenders zum 8. Mai 1945

Die Schlüssel der Freiheit

Am 8. Mai 2025 jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum achzigsten Mal. Am 7. Mai 1945 wurde die Kapitulation von Nazi-Deutschland unterzeichnet – in einem Kartenraum einer Schule in Reims in der Champagne. Ein geschichtsträchiger Ort, den vermutlich viele Menschen nicht kennen. Wir kannten ihn auch nicht.

Der vielfach ausgezeichnete Regisseur und Fotograf Wim Wenders hat einen sehenswerten Kurzfilm dazu gedreht: »Die Schlüssel der Freiheit«. Er erinnert uns daran, dass die Freiheit nicht selbstverständlich ist. Es liegt an uns, diese Freiheit gegen ihre Feinde zu verteidigen.

English version here

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Blauer Himmel statt weißer Rauch

Das Ammertal am Muttertagswochenende: Blauer Himmel statt Weißer Rauch

Das Ammertal am Muttertagswochenende: Blauer Himmel statt weißer Rauch

Frühling ließ sein blaues Band…

Strahlend blauen Himmel statt weißen Rauch gab es letztes Wochenende beim Frühlingsfest in der Staudengärtnerei von Erika Jantzen im Tübinger Ammertal. Dazu gab es beschwingte Musik, Pflanzen aller Art, einen kundigen Baumwart, schöne Postkarten, besondere Fotoarbeiten, Handgefertigtes aus Holz und Ton und Metall, natürlich leckeres Essen und Kaffee und Kuchen sowie – ganz wichtig – viele gut gelaunte Besucherinnen und Besucher.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Erika Jantzen und ihrem Gärtnerinnen-Team für das schöne, anregende Wochenende in der besonderen Staudengärtnerei im Ammertal.

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Hier noch ein paar Impressionen:

Natürlich dürfen am Muttertag die Maiensträußle nicht fehlen

Natürlich dürfen am Muttertag die Maiensträußle nicht fehlen

Einzigartige Maienderwische von Karin Martini, Gärterin und Künstlerin

Einzigartige Maienderwische von Karin Martini, Gärterin und Künstlerin

Gypsy-Jazz vom Feinsten und im Grünen am Samstag

Gypsy-Jazz vom Feinsten und im Grünen am Samstag

Zarte Schönheit aus subarktischen Gefilden: Islandmohn

Zarte Schönheit aus subarktischen Gefilden: Islandmohn

Cooler Jazz am Sonntagnachmittag

Cooler Jazz am Sonntagnachmittag

Teatime für Pflanzenliebhaber*innen

Teatime für Gartenliebhaberinnen

Nr. 11 · Tee im Garten: Tea for two and two for tea | © Schöne Postkarten

Nr. 11 · Tee im Garten: Tea for two and two for tea | © Schöne Postkarten

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Frühlingsfest in der Staudengärtnerei

Das Gartencafé ist geöffnet beim Frühlingsfest der Staudengärtnerei von Erika Jantzen

Das Gartencafé ist geöffnet beim Frühlingsfest 2025 der Staudengärtnerei von Erika Jantzen

„Es scheint, daß uns die Natur vorzugsweise zur Geselligkeit bestimmt habe.“

Dieses Zitat stammt von Michel de Montaigne, der von 1533 bis 1592 im Südwesten Frankreichs gelebt hat. Montaigne war ein kluger Mann, viele seiner Essays lesen sich so, als ob sie geradewegs für unsere Zeit geschrieben wären.

Frühlingsfest in der Staudengärtnerei

Angenehme Geselligkeit verspricht am Wochenende (10./11.5.; 10-17 Uhr) das beliebte Frühlingsfest in der wunderbaren Tübinger Staudengärtnerei von Erika Jantzen in der Sindelfinger Straße. Es gibt Blumengebinde, Kräuter, Stauden, Setzlinge und andere viele schöne Dinge für Garten und Balkon; dazu Livemusik, Gartenvorträge, und das reizende Gartencafé ist auch geöffnet. Alle Infos zum Programm hier. 

Licht in dunkler Zeit

LIcht in dunkler Zeit. Fensterbilder und Fotokunst von Corinna KernAuch wir selbst werden mit unseren Schönen Postkarten einen kleinen Stand beim Frühlingsfest haben. Hier könnt ihr euch die neuesten künstlerischen Fotoarbeiten von Corinna anschauen und, wenn ihr wollt, erwerben.

Wie bewahrt man das Licht in dunkler Zeit?, war das eine Thema, mit dem sich Corinna die letzten Monate beschäftigt hat. Sie hat dafür lange in unserem Bildarchiv gesucht und schließlich zweimal 24 Bilder für die DIN-A3 großen Fensterbilder zusammengestellt, die das derzeitige Lebensgefühl von vielen Menschen abbilden möchten. Bestückt sind die Fensterbilder außerdem mit Aphorismen, Literaturzitaten, Gedichten und Haiku.

Tübingen in Blaugold

Tübingen, ein Gedicht. Fensterbilder und Fotokunst von Corinna Kern, TübingenMit dem zweiten Thema „Tübingen in Blaugold“ widmet sich Corinna wieder unserer „kleine, großen Stadt“ (Inge und Walter Jens), die wir immer wieder versuchen, in besonderem Licht und neuen Perspektiven fotografisch festzuhalten. Hier befinden sich Gedichte und Haiku rund um Tübingen im Innern der Fenster.

In kleiner Auflage gedruckt und handgefertigt sind diese Fensterbilder ein außergewöhnliches Geschenk!

Kommt vorbei, wir freuen uns auf euren Besuch!

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Auch die Giesskannen sind bereit fürs Gartenjahr. Wir werden sie brauchen.

Die Giesskannen sind bereit fürs Gartenjahr. Wir werden sie brauchen. © Schöne Postkarten

 

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Keine der Blüten…

Ungeachtet der Trockenheit und der Weltlage blüht unsere Glyzinie dieses Jahr ganz prächtig

Ungeachtet der Trockenheit und der Weltlage blüht unsere Glyzinie dieses Jahr ganz prächtig

Keine der Blüten
schwebt an den Ast zurück –
ich weiß, ich weiß

für Georges Hartmann

Inspiriert von Arakida Moritake (1473–1549), der dieses Haiku dichtete:

Schwebt da eine abgefallene
Blüte an den Ast zurück?
… Ah, ein Schmetterling!

Der japanische Dichter Moritake hat hier, so der Kommentar von Eduard Klopfenstein, „eine Formulierung aus der zen-buddhistischen Tradition (»eine abgefallene Blüte kehrt niemals an den Ast zurück«) aufgegriffen“. Der Schmetterling, den der Dichter vielleicht nur für einen Augenblick mit einem Blatt verwechselt hat, verleiht dem melancholischen Thema der Vergänglichkeit (fallendes Blatt) für den Moment eine heitere Note.

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Buchinformation

Die wirklich schöne Haiku-Sammlung »Haiku – Gedichte aus fünf Jahrhunderten« ist 2017 bei Reclam erschienen. Wir haben sie hier ausführlich vorgestellt.

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Verabredung mit Michael Krüger

Der Dichter Remco Campert mit seiner Frau Deborah Spelman. Literaturkalender edition momente 2024

Der Dichter Remco Campert mit seiner Frau Deborah Spelman. Literaturkalender edition momente 2024

Für Deborah

Wenn ich sterbe
wünsche ich mir, dass du dabei bist
dass ich dich anseh
dass du mich ansiehst
dass ich deine hand noch fühlen kann.

Dann werde ich in ruhe sterben.
Dann braucht niemand traurig zu sein.
Dann bin ich glücklich.

Remco Campert (* 28. Juli 1929 in Den Haag; † 4. Juli 2022 in Amsterdam)

Liebesgedichte gibt es viele. Dieses Gedicht, das Remco Campert seiner Frau Deborah Spelman gewidmet hat, zählt für mich zu den schönsten lyrischen Liebeserklärungen, die ich kenne. Gelesen habe ich diese Zeilen zum ersten Mal im Juli 2024 im Literaturkalender der Edition Momente. Remco Campert, der als der bedeutendste Lyriker der niederländischen Literatur gilt, war mir bis dahin kein Begriff. Das hat sich dank Michael Krüger geändert.

Verabredung mit Dichtern. Erinnerungen und Begegnungen

So heißt das Buch des Dichters und Schriftstellers Michael Krüger. Bei der Lektüre dieser ganz besonderen, weil sehr persönlichen Literaturgeschichte des ehemaligen Chefs des Hanser-Verlags bin ich zum zweiten Mal auf Remco Campert gestoßen, dessen Vater als Fluchthelfer für jüdische Familien 1943 im KZ Neuengamme starb.

Michael Krüger blickt in seinem 2023 erschienenen Buch zurück auf sein aufregendes Leben, in dem sich bis heute so ziemlich alles um die Literatur dreht. Das beginnt bei Krüger schon in Kindheit und Jugend, die der 1943 in Berlin geborene Autor zwischen „Nikolassee, Schlachtensee und Wannsee“ verbrachte. Schon allein diese ersten 130 Seiten über eine deutsche Nachkriegsjugend im sich gerade erholenden Berlin machen Freude.

„Es ist fast siebzig Jahre her, dass ich zum ersten Mal das Strandbad Wannsee betreten habe. Aber ich sehe, wenn ich daran denke, sofort die gelben Klinkerseine vor mir, ich spüre den Sand am ganzen Körper, der sich tagelang nicht aus den Kleidern schütteln lassen wollte und aus den Haaren rieselte, wenn ich in der Schule über unlösbaren Problemen verzweifelte.“

Es folgen die Verlags- und Druckerlehre von Krüger in Berlin, dann die Zeit in London als Buchhändler, wo Krüger ab 1963 versuchte, englischen Kunden Günter Grass, Uwe Johnson und Heimito von Doderer schmackhaft zu machen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber welchen Geistesgrößen und Künstlern Krüger in London begegnet!

1968 kam Krüger dann zum Hanser-Verlag, den er zu einem der wichtigsten, wenn nicht dem wichtigsten deutschsprachigen Verlag machte und der ihm, mir völlig unverständlich, bei seinem Ausscheiden 2013, nicht mal eine Abstellkammer als Arbeitsplatz für einen verdienten, emeritierten Verlagschef angeboten hat.

Anregend und bereichernd

Verabredung mit Dichtern: Erinnerungen und Begegnungen ist eine sehr anregende Lektüre, mindestens aber ein zum Nachschlagen von Schriftstellern ermunterndes Buch.  Michael Krüger. Verarbredung mit Dichtern. Erinnerungen und BegegnungenWir dürfen bekannte und unbekannte, berühmte und weniger berühmte Dichterinnen und Dichter aus Holland (s.o.), aus Polen, aus New York, aus Israel, aus Schweden, aus Italien mit ihren Werken und häufig auch mit ihren menschlichen Eigenheiten kennenlernen. Besonders die polnische Literatur, die für Krüger viel zu spät und viel zu wenig in der Bundesrepublik in Übersetzungen ankam, hat es ihm angetan.

„Das 20. Jahrhundert hat so viele wunderbare polnische Schrifsteller hervorgebracht, dasss man ein Leben braucht, um alle zu lesen; und Gott sei Dank gab und gibt es eine Reihe von Übersetzern, die wenigstens die Hauptwerke aus diesem reichen Schatz übertragen haben.“

Gut, dass es Menschen wie Michael Krüger gibt, die felsenfest davon überzeugt sind, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir alle mehr Zeit mit der Lektüre von Gedichten verbringen würden. Und gut, dass der Dichter, Schriftsteller, Verleger und begnadete Erzähler Krüger bei seiner Lesung in Tübingen neulich angekündigt hat, dass wir uns, wenn alles gut geht, auf einen weiteren Band mit „Erinnerungen und Begegnungen“ mit Dichterinnen und Dichtern freuen dürfen.

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Buchinformation

Michael Krüger
Verabredung mit Dichtern. Erinnerungen und Begegnungen
Suhrkamp Verlag, Berlin, 2023
ISBN: 978-3-518-43139-9

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Über Esel, Gott und die Welt

Zu Unrecht wird der Esel oft als dumm und störrisch dargestellt. Er ist ein wunderbares Tier.

Zu Unrecht wird der Esel oft als dumm und störrisch dargestellt. Er ist ein wunderbares Tier.

In der Bibel steht, dass Jesus auf einer Eselin am Sonntag vor dem Pessachfest nach Jerusalem einreitet. Palmsonntag nennen Christinnen und Christen den kommenden Sonntag, weil die Menschen Palmzweige auf dem Weg verteilt haben sollen, damit die Eselin mit ihrem Reiter nicht ausrutscht.

„Ich weiß nicht, ob ich an einen Gott glaube – und Fromme werden mir diesen Satz nicht verzeihen, aber ich kann in dieser Sache nicht lügen – das ist schon sehr eigenartig, dass ich es in dieser Sache nicht kann, und vielleicht ist das schon Teil eines Gottesbeweises – aber ich kann beim besten Willen nicht wissen, ob ich an ihn glaube. Trotzdem, trotzdem – ich brauche ihn. (…) ich brauche ihn, damit das alles, was ist, nicht sinnlos ist – und damit das alles, was ist, nicht alles ist.“ (Peter Bichsel)

Vor knapp einem Monat ist der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel im Alter von 89 Jahren gestorben. Grund genug für uns, uns etwas näher mit diesem bescheidenen, aber großen Meister der kurzen Form zu beschäftigen, der trotz seines Erfolgs immer bodenständig und nahbar war. Bichsel, dieser wunderbare Erzähler, hat kurze und kürzeste Geschichten geschrieben, viele Kolumnen, aber immer wieder auch Texte zu religösen Themen und zum Glauben. Im Schweizer Radio haben wir vor ein paar Tagen ein sehr interessantes Gespräch mit Peter Bichsel gefunden, in dem er sich zum Thema „Gott und die Welt“ sehr persönlich und hörenswert äußert. Die Sendung gibt’s hier zum Nachhören.

Der Band „Über Gott und die Welt“, dem das obige Zitat entnommen ist, enthält Peter Bichsels gesammelte Texte zur Religion. Diese Texte sind klug, differenziert, hintersinnig, humorvoll, mahnend, melancholisch, manchmal streng, aber immer anregend. Man lernt vieles bei der Lektüre, auch dieses:

„Der Glaube an die Muskatnuß ist etwas Ernstes.“

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Buchinformation

Peter Bichsel
Über Gott und die Welt. Schriften zur Religion
Herausgegeben von Andreas Mauz
Suhrkamp Verlag, 2009, Broschur
ISBN 978-3-518-46154-9

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Freitagsfoto: Fernbedienung

Den Göttern geht's wie uns: ständig verlegt man die Fernbedienung

Den Göttern geht es wie uns: ständig verlegt man die Fernbedienung

Die Götter haben
die Fernbedienung verlegt.
Kein Wunder!

Ohne Humor geht’s nicht in der aktuellen Weltlage … was erheitert euch in diesen Tagen?

Schönes Wochenende!

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Wir alle brauchen Erbarmen

„Wir alle können hilflos werden und brauchen Erbarmen.“ Helga Schubert

„Wir alle können hilflos werden und brauchen Erbarmen.“ Helga Schubert

Welt ohne Menschlichkeit

Von Elno Murks (ihr wisst, wen ich meine) habe ich dieser Tage gelesen, dass er Mitgefühl für selbstmörderisch hält; Empathie und Menschlichkeit sind für ihn Schwächen. Das gibt uns eine Idee davon, wie die Welt aussehen wird, sollten Murks und seine autoritären Tech-Komplizen ihre Vorstellungen von einem technokratischen Nicht-Staat durchsetzen. Das wird eine Welt, in der Hilflosigkeit und Erbarmen keinen Platz mehr haben.

Ein Stundenbuch der Liebe

»Jede Sekunde mit dir ist ein Diamant, sagt Derden zu mir und umarmt mich, als ich morgens in sein Zimmer und an sein Pflegebett komme. Wir sind seit 58 Jahren zusammen. Zwei alte Liebesleute.«

So beginnt »Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe« von Helga Schubert. Helga Schubert, Jahrgang 1940, war Psychotherapeutin und Schriftstellerin in der DDR. 2020 meldete sie sich mit 80 Jahren beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt zurück auf die literarische Bühne. Sie gewann den Preis mit der Geschichte »Vom Aufstehen«.

»Der heutige Tag« ist 2023 erschienen und Schubert beschreibt darin, wie sie mit 80 Jahren ihren dementen, kranken Mann Derden pflegt. Dieser Derden ist Johannes Helm, dreizehn Jahre älter als seine Frau, Maler und ehemaliger Professor für Klinische Psychologie. Mit Derden beginnt Helga Schuberts Tag, mit Derden endet er.

»Ich schlage sein Deckbett zurück, leere den Bettbeutel des Blasenkatheters, fühle, ob die Windel nass ist.«

Helga Schubert, Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der LiebeEntlang eines Tages beschreibt die Autorin in ruhigem Ton und klaren Sätzen, wie das ist, wenn man sich 24 Stunden am Tag um den Menschen kümmert, mit dem man so lange zusammen ist. Sie lässt dabei nichts aus, keines der Ärgernisse, keine der Anstrengungen und Mühen, aber auch keinen der anrührenden, schönen, poetischen Momente, die diese intensive anstrengende Pflege mit sich bringt.

Das Buch ist kein Roman, und trotzdem wird man beim Lesen hineingezogen in den Tag dieses alten Liebespaares, dass sich aller körperlichen Widrigkeiten zum Trotz immer noch so viel zu geben hat.

»Die Amsel sang wieder einmal so schön, Derden hörte sie, und ich dachte an die Ärztin, die mir kürzlich sagte, nun müssen Sie aber auch seinem Körper die Möglichkeit geben zu sterben! (…) Was für eine Anmaßung gegenüber der Schöpfung, dachte ich. Als ob ich Herrin darüber sein dürfte. Ein bisschen Sahnejoghurt im Schatten, eine Amsel singt, Stille. So darf ein Leben doch auch ausatmen.«

»Der heutige Tag« ist eines der tröstlichsten Bücher, das man in unserer Zeit lesen kann. Helga Schubert lässt sich von den Herausforderung, die jeder Tag bietet, nicht unterkriegen, und sie zeigt uns, wie Loslassen, Annehmen und Friedenschließen trotz aller Mühsal möglich ist. Beeindruckend ist das – und berührend.

Heldin am Anschlag

Beeindruckend und berührend ist auch der Spielfilm »Heldin«, den wir letzte Woche im Kino gesehen haben. Auch hier geht es um Pflege, Stress, Widrigkeiten und manchmal auch um ganz kurze schöne Momente.

»Heldin«, eine schweizerische Produktion, beschreibt anhand einer Spätschicht den anstrengenden, hektischen Klinikalltag der jungen Krankenpflegerin Floria Lind (überragend dargestellt von Leonie Benesch) in einem Kantonsspital in der Schweiz. Dieser Klinikalltag ist voller großer und kleiner Herausforderungen, die fast im Minutentakt von Floria bewältigt werden müssen, nicht selten zwischen Tür und Angel. Blitzschnell müssen Entscheidungen gefällt werden, die weitreichende, ja dramatische Konsequenzen haben können. Als Zuschauer ist man schon im Kinosessel überfordert.

Da läuft bei einer hochbetagten Patientin die Windel über, als nächstes will ein sehr arroganter Privatpatient keine Sekunde auf seinen Tee warten, und während dessen entwickelt ein Patient eine gefährliche allergische Reaktion auf ein Schmerzmittel. So geht das den ganzen Tag, und Floria hat praktisch keine Zeit, etwas zu essen oder zu trinken. Ist das übertrieben? Nein überhaupt nicht, sagte das befreundete Paar neben uns im Kino, die beide seit vielen Jahrzehnten in verschiedenen Positionen in der Pflege einer großen deutschen Universitätsklinik arbeiten.

»Die Kombination von Regisseurin und Hauptdarstellerin machen »Heldin« zu einem Kleinod des deutschsprachigen Films.« (Perlentaucher)

Dieser Film hätte Filmpreise ohne Ende und Millionen von Zuschauer*innen verdient. Und vor allem sollten sich alle verantwortlichen Politiker diesen Film anschauen, damit sie endlich verstehen, dass der Agrardiesel nicht unser Problem ist.

»Heldin« ist die filmisch beeindruckende Würdigung der Arbeit tausender Krankenpfleger*innen, die jeden Tag dafür sorgen, dass der Betrieb in den Kliniken läuft.

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Buchinformation

Helga Schubert
Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe
Taschenbuch dtv Verlag
ISBN : 978-3-423-14910-5

Hände, die einander wärmen

Der Schriftsteller und Journalist Renatus Deckert hat Helga Schubert und Johannes Helm im Sommer 2024 in Mecklenburg besucht und einen schönen Text darüber geschrieben. Kann man hier auf seinem Blog »Wolken und Kastanien« nachlesen.

Wo Heldinnen und Helden arbeiten

Universitätsklinikum Tübingen mit Albtrauf | © Schöne Postkarten, Tübingen

Universitätsklinikum Tübingen mit Albtrauf | © Schöne Postkarten, Tübingen

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