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Ich fürchte mich so sehr vor der Menschen Wort

Pastorale mit Blick auf den Hagellocher Kirchturm

Pastorale mit Blick auf den Hagellocher Kirchturm. Foto: Norbert Kraas

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Rainer Maria Rilke (* 4. Dezember 1875 in Prag, Österreich-Ungarn; † 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz)

Das Gedicht finden wir erstmals abgedruckt in dem Band »Mir zur Feier«, der 1897/98 erschien. Wir zitieren hier aus der schönen Insel-Ausgabe »Die Gedichte« (Leinen, 1136 Seiten, Insel Verlag, ISBN 978-3-458-14324-6).

Wer könnte Rilkes Gedanken in diesem schönen Gedicht nicht nachvollziehen? Dieses permamente Dauerplappern auf allen Kanälen. Und überhaupt: Die Gedichte von Rilke gehören in jeden Haushalt.

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Nachsommerhitze

Und wer sagt uns, welche Spinne sich hier in der Hitze ausruht?

Und wer sagt uns, welche Spinne sich hier in der Hitze ausruht?

Nachsommerhitze –
matt hängt auch die Spinne
am seidenen Faden

Wenn ich ehrlich bin, geht’s mir wie der Spinne an unserer Hauswand. Dieser Rekordsommer macht mürbe und müde. Dazu – harter Schnitt jetzt – dieses aufgeheizte politische Klima kurz vor drei Landtagswahlen im Osten, wo sich die demokratischen Parteien irgendwie ratlos gegenüber der braunen Bedrohung unserer Demokratie zeigen. Wer sich darüber näher informieren möchte, dem empfehlen wir die sehenswerte Dokumentation »Im Osten ganz rechts – Von den Skinheads zur AfD«, abrufbar in der ZDF-Mediathek.

Bisweilen drängt sich einem der Eindruck auf, dass unsere Demokratie auch bald am seidenen Faden hängen könnte.

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Tiere

Was denkt das Schaf, wenn es uns sieht?

Was denkt das Schaf, wenn es uns sieht?

„Wir können uns in die Empfindungen der Tiere ungefähr in gleichem Maße hineindenken, wie sie sich in die unseren.“

Michel de Montaigne (geboren am 28. Februar 1533 auf Schloss Montaigne im Périgord, wo er am 13. September 1592 gestorben ist)

Wer sich mit dem unbedingt lesenswerten französischen Philosophen, Skeptiker, Menschenfreund und Essayisten Montaigne beschäftigen möchte, dem sei zur Einführung ein kurzes Feature im BR-Radio empfohlen, das man hier noch nachhören kann.

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Heiß, heißer, Klimawandel

Temperaturentwicklung für Stuttgart 1850 – 2023 | © Prof. Ed Hawkins, University of Reading

Temperaturentwicklung für Stuttgart 1850 – 2023 | © Prof. Ed Hawkins, University of Reading

Blöd, blöder, irre!

Während große Teile Deutschlands und Europas unter einer teils unerträglichen Hitzewelle leiden, und die Meere so warm sind wie noch nie, kommt die Autoklientelpartei FDP mitten im journalistischen Sommerloch mit einem „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“ um die Ecke.

Liest man sich das Papier durch, reibt man sich die Augen und fühlt sich in eine andere Zeit versetzt: kostenloses Parken mit Flatrate, weniger Radwege, weniger Fußgängerzonen, mehr Autos in die Innenstädte, kein Tempolimit auf Autobahnen, Bekenntnis zur Formel 1 in Deutschland zur Stärkung des Tourismus. Waldbrände, Trockenheit, Flutkatastrophen, Extremwetter? Interessiert die FDP nicht die Bohne, so wenig wie die Folgekosten des Klimawandels. Und diese werden gewaltig sein.

38 Billionen Dollar

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung geht davon aus, dass der weltweite volkswirtschaftliche Schaden des Klimawandels sich auf rund 38 Billionen Dollar pro Jahr belaufen wird, so eine Pressemeldung vom 17. April 2024, die man hier nachlesen kann.

„Selbst wenn Treibhausgas-Emissionen ab heute drastisch reduziert würden, müsste die Weltwirtschaft aufgrund des Klimawandels bis 2050 bereits mit einem Einkommensverlust von 19 Prozent rechnen, so eine jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie. Diese Schäden sind sechsmal höher als die Vermeidungskosten zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad“

Deutschland 2050

Wer sich näher mit dem Thema befassen möchte, dem empfehlen wir heute nochmal das Buch „Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ von Nick Reimer und Toralf Staud, das wir hier im Reklamekasper schon vorgestellt haben. Die Lektüre lohnt sich!

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„Der Klimawandel ist Realität. Seine Hauptursache ist der Mensch.“ Torald Staud, Nick Reimer.

„Der Klimawandel ist Realität. Seine Hauptursache ist der Mensch.“ Torald Staud, Nick Reimer.

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Eines Tages, Snoopy!

Schätze aus der Bücherkiste: Die Peanuts von Charles M. Schulz

Schätze aus der Bücherkiste: Die Peanuts von Charles M. Schulz

Vor ein paar Wochen hat in unserer Nachbarschaft ein amerikanischer Haushalt Bücher aussortiert. Da lag viel Gedrucktes im Karton, aber weil unsere Bücherregale übervoll sind, wollten wir zügig vorbeigehen. Und wir hätten’s auch fast geschafft, wären uns nicht ein paar uralte Bände der „Peanuts“ von Charles M. Schulz ins Auge gestochen. Kurz: wir konnten nicht widerstehenn – und haben es nicht bereut.

Jetzt freuen wir uns fast täglich an den lustigen, heiteren, stacheligen, melancholischen und oft tiefsinnigen Comics, die der Zeichner Charles M. Schulz (26.11.1922 – 12.2.2000) ab dem 2. Oktober 1950 regelmäßig gezeichnet und getextet hat.

Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy. Stimmt, aber an allen anderen Tagen nicht.

Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy. Stimmt, aber an allen anderen Tagen nicht.

Schulz wollte übrigens nie, dass die Serie „Peanuts“ heißt. Seine Favoriten waren „Charlie Brown“ oder „Guter alter Charlie Brown“. Schulz, der als US-amerikanischer Soldat bei der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau dabei war, hat in seinem Leben mehr als 17.000 Comicstrips geschaffen.

Ob es heute noch die Peanuts am Kiosk gibt? Keine Ahnung. Im Reclam-Verlag gibt es einige Peanuts-Bände mit ausgewählten Comicstrips. Und dann gibt es ja noch Flohmärkte oder Bücherkisten in der Nachbarschaft …

Der Reklamekasper macht eine kleine Pause. Anfang September geht’s mit Schwung weiter.

Bis bald!

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Wunderbare Hundejahre

Kajsa, Bouvier des Flandres, (* 13.7.2011; † 29.7.2024)

Kajsa, Bouvier des Flandres, (* 13.7.2011; † 29.7.2024)

Das ging aber schnell
ich meine
das Leben

Haiku von Ron Padgett

Wir sind dankbar für so viele wunderbare Hundejahre!

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PS: Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich bei Kajsas Tierarzt Dr. Matthias Roth in Betzingen bedanken, der mit seinem gesamten Team immer für Kajsa da war und großartige, mitunter lebensrettende Arbeit geleistet hat.

Kajsa, Bouvier des Flandres, (* 13.7.2011; † 29.7.2024)

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Kiefer

Die Kiefer (Pinus) wird in Japan als Symbol des Lebens und der Beständigkeit verehrt.

Die Kiefer (Pinus) wird in Japan als Symbol des Lebens und der Beständigkeit verehrt.

Unser Hund ist sehr alt!
Ich bringe meine Melancholie
vor die uralte Kiefer

Our dog is very old!
I bring my melancholy
to the ancient pine

Ein Haiku, inspiriert von Yosa Buson (1716 – 1786), der dieses Sommer-Haiku dichtete:

I have brought the melancholy of my heart
up the hill
to the wild roses in flower

Euch allen gute Sommertage!

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Die Gattung der Rosengewächse (Rosaceae) umfasst allein auf der Nordhalbkugel zwischen 100 bis 250 Arten

Die Gattung der Rosengewächse (Rosaceae) umfasst allein auf der Nordhalbkugel zwischen 100 bis 250 Arten

 

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Übers Wasser gehen mit Pat Boran

Kite-Surfer am Strand von Trouville-sur-Mer

Kite-Surfer am Strand von Trouville-sur-Mer

Jesus, he might be,
that long-haired kite-surfer dude
walking on the sea

Ein Haiku des irischen Dichters Pat Boran, den wir hier neulich schon mal mit einem Gedicht vorgestellt haben. Boran schreibt nicht nur Gedichte, sondern macht auch Filme zu Gedichten, und er fotografiert. Pat Boran, Waveforms: Bull Island Haiku, Orange Crate Books„Waveforms: Bull Island Haiku“ heißt sein kleinformatiges Büchlein mit Haiku und Fotos, die er im Laufe eines Jahres auf der kleinen Insel Bull Island in der Bucht von Dublin aufgenommen hat. Die Insel ist grade mal 5 Kilometer lang und 800 Meter breit und seit 1981 Unesco Biosphärenreservat.

Flora, Fauna, Meer und Menschen: alles, was dem Dichter bei seinen Besuchen auf Bull Island begegnet, wird ihm auf 120 Seiten Gegenstand zu einer lesenswerten Haiku-Sequenz. Dabei sind auf einer Doppelseite jeweils einem Schwarzweiß-Foto drei englischsprachige Haiku gegenübergestellt. Pat Boran ist ein genauer Beobachter, der versteht, seine Worte richtig zu setzen. Er sieht seine – oft humorvollen und überraschenden – Haiku als Kompromisse zwischen Absicht und Zufall, Handwerk und Glück sowie zwischen den Worten und dem Unsichtbaren, das diese Worte erahnen lassen.

Es gibt viel zu entdecken mit Pat Boran auf Bull Island!

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Buchinformation

Pat Boran
Waveforms: Bull Island Haiku
120 Seiten, Taschenbuch
Orange Crate Book, April 2015
ISBN 9780993172601

Mehr zum Buch gibt’s auf der Homepage des Autors hier.

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Sommerregenzeit mit Saigyō

Es regnet und regnet und regnet: Lesewetter und Hortensienwetter gleichermaßen

Es regnet und regnet und regnet: Lesewetter und Hortensienwetter gleichermaßen

Gedankenverloren
den Tropfen nachschauend
die vom Vordach fallen –
den lieben langen Tag
zur Sommerregenzeit

Saigyō

Lyrik aus dem 12. Jahrhundert

Saigyō war ein japanischer Dichter und Wandermönch, der von 1118 bis 1190 lebte. Er gilt als „der“ Dichter der klassischen Periode Japans in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Saigyō war das große Vorbild seiner Zeitgenossen und war auch für den Haiku-Meister Bashō (1644 – 1694) ein Fixstern am Poetenhimmel, auf den er immer wieder in seinen Haiku anspielt.

Saigyō, Gedichte aus der BergklauseEkkehard May hat vor ein paar Jahren eine schöne Auswahl von Saigyōs Gedichten übersetzt, zusammengestellt und mit klugen Kommentaren versehen, die uns westlichen Leserinnen und Lesern helfen, diesen wunderbaren Dichter, der vor mehr als 800 Jahren gelebt hat, besser zu verstehen.

»Saigyō – Gedichte aus der Bergklause Sankashū« heißt das schön ausgestattete Buch, das 2018 in der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung in Mainz erschienen ist. Der Japanologe May hat zahlreiche Auszeichnungen auch in Japan für seine verdienstvolle Arbeit bekommen. Er schreibt in seiner Einführung zu Saigyō:

„Viele seiner schlicht-schönen Verse, die Gesehenes und Erlebtes in poetische Bilder umsetzen und auf eindringliche Weise mit existenziellen Einsichten verbanden, haben Zeitgenossen und Nachgeborene gleichermaßen fasziniert. Und Saigyōs endlos lange Wanderung in die nordöstlichen Tiefen des Landes wurde für Bashō die große Metapher des Lebenslaufes, dem er in einem Jahrtausendwerk Oku no hosomichi nach-gegangen ist.“

Tatsache ist, dass sich mit Saigyōs Gedichten dieses bisweilen anstrengende, schwüle Regenwetter besser ertragen lässt.

Physik aus dem 19. Jahrhundert

Aber warum regnet es eigentlich so viel in manchen Regionen, und warum leiden andere Gebiete auf der Welt unter verheerenden Dürren und Waldbränden? Und was hat das mit dem menschengemachten Klimawandel zu tun? Hinter diesen extremen Wetterlagen, die uns in Zukunft mehr beschäftigen werden, steckt das Clausius-Clapeyron-Gesetz (CC-Gesetz) aus dem Jahr 1850, benannt nach dem französischen Physiker Émile Clapeyron und seinem deutschen Kollegen Rudolf Clausius.

Stefan Rahmstorf ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam und arbeitet als Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er hat das CC-Gesetz in einem lesenswerten Artikel im Spiegel gut erklärt. In aller Kürze: „Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, und zwar pro Grad Erwärmung rund sieben Prozent mehr.“ Den ganzen, lesenswerten Artikel von Rahmstorf kann man hier online nachlesen.

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Buchinformation

Saigyō
Gedichte aus der Bergklause – Sankashû
ausgewählt, übersetzt, kommentiert und annotiert von Ekkehard May
Dieterisch’sche Verlagsbuchhandlung Mainz, 2018
ISBN: 978-3-87162-098-0
wunderschöne Leinenausgabe mit Lesebändchen

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Die Mühen der Ebenen · Günter Kunert

Baden verboten! Drapeau rouge am Strand von Trouville-sur-Mer

Baden verboten! Drapeau rouge am Strand von Trouville-sur-Mer

DIE MÜHEN DER EBENEN

Die Stürme werden stärker
die Sommer heißer
der Menschen mehr
der Unmenschen auch
das Elend größer
die Hoffnungen kleiner
die Zukunft wilder
wie Pythia weissagte
den Rauch aus der Erdspalte
inhalierend trotz
der Lungenkrebswarnung.
Angestrengt
verhelfen wir ihren Prophezeiungen
zur Wirklichkeit.

Günter Kunert (1929 – 2019)

„Dieser Dichter versteht sich exemplarisch als Augenzeuge großer wie kleiner Menschheitsdramen und als Stenograph unserer Katastrophen“, schrieb der Kritiker Hubert Spiegel in der FAZ über Günter Kunerts letzten Gedichtband „Zu Gast im Labyrinth“, der 2019 bei Hanser erschienen ist. Als pessimistischer Chronist sieht Kunert wenig Grund zur Hoffnung, tragen wir doch mit unserem gedanken- und rücksichtlosen Handeln dazu bei, dass Pythia, die weissagende Priesterin im Orakel von Delphi, Recht behält mit ihren dunklen Ahnungen.

Was Gunter Kunert wohl zum Trump-Urteil des Supreme Court diese Woche gedichtet hätte oder zu den Unwetterkatastrophen, von denen gerade eine die nächste jagt? Und was hätte er, dessen Familie von den Nazis verfolgt und zum Teil ermordert wurde, zum dramatischen Rechtsruck in Europa gesagt?

NK | CK

Buchinformation

Günter Kunert
Zu Gast im Labyrinth
Hanser Verlag, München
Fester Einband, 112 Seiten
ISBN 978-3-446-26463-2

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