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Kein schöner Land (4): Exzellenz auf Abwegen

„Wegeleitsytem“ bei den Naturwissenschaften, Morgenstelle, Universität Tübingen

„Wegeleitsytem“ bei den Naturwissenschaften, Morgenstelle, Universität Tübingen

Exzellenz auf typographischen Abwegen

Vor ein paar Tagen musste ich ein Fachbuch in der Unibibliothek der Universität Tübingen im Hörsaalzentrum Morgenstelle abgeben. Dort oben auf dem Berg von Tübingen sind die Naturwissenschaften zuhause. Und da ist mir dieser typgraphische Auswuchs eines Wegeleitsystems vor die Linse gekommen. Für einen Moment war ich sprachlos. Kaum zu glauben, dass sich eine Hochschule, in der man die Worte „Exzellenzuniversität“ und „Drittmittelantrag“ zu jeder Tag- und Nachtzeit in allen Sprachen der Welt rauf- und runterbuchstabieren kann, so eine Hässlichkeit leistet.

Der große Gestalter, Typograph und Autor Erik Spiekermann hat in dem Buch „Hallo, ich bin Erik“ auf die Bemerkung, dass Schrift am Ende doch funktional sein müsse, dieses geantwortet:

„Die Schönheit selbst ist ja eine Funktion. Schönheit ist nicht funktionsfrei. Banal gesagt, braucht man Schönheit. Hässlichkeit verkauft sich schlecht.“

Erik Spiekermann, Jahrgang 1940, hat unter anderem die Schriften FF Meta und FF Officina entworfen, die schon heute als Klassiker gelten. Neben vielen anderen Projekten hat er das Fahrgastinformationssystem der Berliner Verkehrsbetriebe entwickelt, das Wegeleitsystem des Flughafen Düsseldorf und das Erscheinungsbild der Stadt Glasgow als UK City of Architecture and Design.

Das Buch „Hallo, ich bin Erik“ sollte ganz dringend in den Bestand der Unibibliothek Tübingen aufgenommen werden.

NK | CK

Buchinformation

Hallo, ich bin Erik. Erik Spiekermann: Schriftgestalter, Designer, Unternehmer
Herausgeber: Johannes Erler
Gestalten Verlag, Berlin 2014
ISBN: 978-3-89955-527-1

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Leonard und Paul – Feelgoodbuch aus Irland

Wie viel sollte man von der Welt in sein Leben lassen? Auch darum geht’s in „Leonard und Paul“

Wie viel sollte man von der Welt in sein Leben lassen? Auch darum geht’s in „Leonard und Paul“

Ich erinnere mich an eine Diskussion in unserem Lesezirkel, bei der es darum ging, wie originell ein Leben sein sollte, um (aufgeschrieben und dann) gelesen zu werden. Ich habe, weil wir so unterschiedlicher Meinung waren, hinterher recherchiert, ob die Originalität eines Textes eine Bedingung für die Bezeichnung als Literatur ist. Literatur natürlich im engeren Sinn als schöngeistiges Schrifttum verstanden. Tatsächlich ist die Originalität ein Kriterium neben vielen anderen wie z. B. Stimmigkeit, Expressivität durch sprachliche Stilmittel, Komplexität, Ambiguität oder Grenzüberschreitung. In der Regel werden von vielen literarischen Texten aber nicht alle Kriterien (gleichermaßen) erfüllt, und zwar ohne dass ihnen gleich ihr litarischer Wert abgesprochen wird.

Vielleicht ist unsere Diskussion damals auch in die verkehrte Richtung gelaufen, weil nicht (unbedingt) der Romanstoff selbst, also das Was, sondern vielmehr (auch) die Betrachtungs- und Darstellungsweise, also das Wie, originell sein kann.

Leonard und Paul

So gesehen würde ich dem Debütroman des Iren Rónán Hession (48) „Leonard und Paul“ eindeutig Originalität bescheinigen. Der im Eigenverlag Woywod & Meurer erschienene Roman erzählt von zwei besten Freunden, Leonard und Paul, die beide Anfang der 30 sind. Beide Männer entsprechen zunächst so gar nicht dem Klischee einer interessanten Hauptfigur, sondern eher ihrem Gegenteil: beide sind schüchtern, introvertiert, sanftmütig und freundlich, aber eher antriebslos. Paul lebt noch bei seinen Eltern, Leonard trauert um seine kürzlich verstorbene Mutter. Auch in ihrer Berufstätigkeit ist zunächst kein Glanz zu erkennen: Leonard ist als Ghostwriter für Kinderenzyklopädien in einem Verlag tätig, und Paul arbeitet gelegentlich als Aushilfspostbote. Und was tun die Freunde, wenn sie sich treffen? Sie spielen Gesellschaftsspiele! Wer sich also vom Romanstoff selbst, dem Was, leiten lässt, der braucht diesen Roman nicht lesen. Allen anderen Lesern, denen das Wie das Wichtige ist, sei dieser Roman jedoch wärmstens empfohlen!

Die Nebenstraßen des Lebens

Wie interessant die Betrachtung der Nebenstraßen des Lebens sein kann und dass diese Nebenstraßen mit unserem eigenen Leben viel mehr zu tun haben als die Wege und Aufgaben der großen Romanhelden, zeigt sich in den vielen unscheinbaren, und doch so klugen Sätzen wie:

… aber die Kunst besteht darin, genau zu erkennen, wie viel von der Welt man in sein Leben lassen kann, ohne davon überwältigt zu werden.

oder:

Geduld gehörte zu seinen (Pauls) Stärken. Geduldig sein hieß, den Dingen ihren Lauf zu lassen und darauf zu vertrauen, dass sich die Dinge ergaben, wie sie sollten, nicht, weil man es so wollte, sondern weil es der natürlichen Ordnung entsprach.

Dass in der Zurückgezogenheit in das Private und in ein paar wenige innige Beziehungen jedoch auch eine Gefahr lauern kann, erkennt Leonard, als er sich für eine Frau ernsthaft zu interessieren beginnt, und dies zu Missverständnissen zwischen den Freunden führt:

Alleinsein und Frieden sind nichts Besonderes mehr, wenn sie keinen Gegenpol haben. In einem hektischen – oder zumindest hektischeren – Alltag bietet die stille Reflexion dem Erleben einen Resonanzraum. Aber das Leben absichtlich vom Erleben abzukoppeln und sich vor seinen Realitäten zu verstecken, nein, das war nichts Besonderes. Das war einfach eine Form der Angst, die zur lebensbeschränkenden Einsamkeit führte, die immer weiter anwuchs, bis sie so groß war, dass sie die Haustür blockierte, Gespräche erstickte und sich wie eine Schallschutzscheibe vor die anderen schob.

Beziehungen sind nie ohne Reibung

Neben Leonard und Paul lernen wir auch noch Pauls Familie kennen, seine sympathischen Eltern, Peter und Helen, und die Schwester Grace, die dabei ist, ihre Hochzeit neben einer fordernden Berufstätigkeit vorzubereiten. Grace ist die Figur, die sicher am meisten dem heutigen Bild eines erfolgreichen Menschen entspricht und die in gewisser Weise einen Gegenpol zu ihrem Bruder bildet. Und natürlich geht es auch in einem von Freundlichkeit und Sanftmut geprägten Umgang nicht ohne Reibung einher. Vielleicht ist es sogar gerade der Umgang mit Kränkungen, der diese Charaktere alle so besonders macht, dass man sie nicht mehr missen möchte.

Humorvoll, witzig, warmherzig

Ähnlich wie in dem von uns besprochenen Roman „Dagegen die Elefanten!“ von Dagmar Leupold betrachtet auch der irische Autor Hession seine Figuren immer liebevoll, auch wenn sie sich aus eigener Sicht lächerlich gemacht haben. Urkomisch ist die Szene mit Paul, der sich im Supermarkt über das abgelaufene Haltbarkeitsdatum einer Pralinendose beschwert.

Dass dieses warmherzige, schön übersetzte Buch zum Liebling der Buchhändler*Innen aus Irland und England wurde, können wir absolut nachempfinden! Dieses Buch ist wohltuend wie ein guter heißer irischer Tee an einem regnerischen Tag draußen an der irischen Westküste.

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Leonard und Paul, Ein FeelgoodbuchPS: Das Buch erscheint in Deutschland in einem bis dato unbekannten Verlag, da Rónán Hession, der in Irland auch als Musiker erfolgreich ist, das Buch unbedingt in einem Independent Verlag veröffentlicht haben wollte und nicht bei einem der großen Publikumsverlage. Also haben Frauke Meurer und Torsten Woywood flugs ihren eigenen Verlag gegründet und gemeinsam mit der erfahrenen Übersetzerin Andrea O’Brien das Projekt gestemmt. Der Einsatz hat sich ausgezahlt. Auch deutsche Leserinnen und Leser lieben dieses Feelgoodbuch!

Buchinformation

Rónán Hession
Leonard und Paul
aus dem Irischen English von Andrea O’Brien
WOYWOD & MEURER (Imprint Torsten Woywod Verlag)
ISBN-13: 978-3-00-073756-5

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Die Ukraine klarer sehen: »Aus dem Nebel des Krieges«

Die Autorinnen und Autoren versuchen sich »Aus dem Nebel des Krieges« (Carl von Clausewitz) rauszuschreiben

Schreibend Zeugnis geben: ein Weg »Aus dem Nebel des Krieges« (Carl von Clausewitz)

Im Spiegel der Seele

»Wenn man in den Geflüchteten oder den Ukrainern in ihrer Heimat nicht nur Opfer sieht, die man zutiefst bedauert, sondern Zeugen, dann wird auch dieser Krieg nicht als große Naturkatastrophe, sondern als kalkulierter Genozid wahrgenommen. Auch wenn das global gesehen nichts an der Tatsache ändert, dass mein Land ein Schlachtfeld ist und die Welt dieses schreckliche Sterben von Menschen innerhalb seiner Grenzen zugelassen hat.« (Kateryna Mishchenko)

Im Spiegel der Seele, so heißt der Essay der ukrainischen Essayistin, Übersetzerin und Verlegerin Kateryna Mishchenko. Es ist der Auftakttext des von ihr und der Suhrkamp-Lektorin und Spezialistin für Osteuropäische Literatur Katharina Raabe herausgegebenen Buches »Aus dem Nebel des Krieges«, erschienen im Frühjahr 2023 bei Suhrkamp.

Aus dem Nebel des Krieges. Die Gegenwart der Ukraine. Hg. Kateryna Mishchenko und Katherina Raabe

Aus dem Nebel des Krieges. Die Gegenwart der Ukraine. Hg. Kateryna Mishchenko und Katherina Raabe

18 Aufsätze versammelt dieser Band, und jeder einzelne hat das Potenzial, uns zu erschüttern und aufzurütteln. Die Mehrzahl der Autorinnen und Autoren stammt aus der Ukraine. Es sind Schriftsteller, Künstlerinnen, Dokumentarfilmer, Fotografen, Aktivisten und Wissenschaftler. Sie alle sind Mishchenkos Bitte gefolgt, aufzuschreiben, was sie ganz persönlich seit dem Einmarsch der russischen Truppen am 24. Februar 2022 erlebt haben. In ihren bewegenden Texten beschreiben sie als Protagonisten ihre Situation und reflektieren gleichzeitig ihr Erleben – und das während russische Soldaten ihr Leben zerstören oder schon zunichte gemacht haben. Es ist ein Anschreiben gegen den Schrecken, gegen die Angst, gegen die Entwurzelung und die Vernichtung. Die Arbeit an ihren Texten ist für die Autorinnen und Autoren die wichtigste Möglichkeit, die Deutungs- und Verarbeitungshoheit in der Hand zu behalten. Wie Mishchenko schreibt, geht es darum, nicht Opfer zu sein, sondern Zeuge und daraus Stärke zu ziehen.

»Wenn ich könnte, würde ich jede abgefeuerte Kugel, jede Granate, jede Haubitze, jeden Schützenpanzerwagen, jeden Panzer, jede Drohne und jeden toten und lebenden russischen Soldaten auf unserem Gebiet aufzeichnen und beschreiben.« (Oksana Karpovych)

Nur exemplarisch und kurz können hier manche Texte skizziert werden. Man sollte sie alle lesen, sich anrühren und erschüttern lassen!

Kämpfen für ein gewöhnliches Leben

Artem Chapeye ist 1981 in Kolomyia in der Westukraine geboren und hat vor dem Krieg, der für die Ukrainer bereits vor 9 (!) Jahren mit der russischen Annexion der Krim begonnen hat, als Schriftsteller, Übersetzer und Reporter gearbeitet. Seine Bücher standen mehrfach auf der BBC-Liste für das beste ukrainische Buch des Jahres. Bis zum Einmarsch der russischen Truppen im Februar 2022 war der Dienst in der Armee für den Pazifisten Chapeye undenkbar.

»Es schien mir unmöglich und absurd, freiwillig an einem Krieg teilzunehmen. Ich hielt mich für einen Pazifisten. Vor allem nach der Revolution auf dem Maidan von 2014, als ich sah, wie Menschen wirklich sterben. Ungerechtigkeit sollte ausschließlich mit friedlichen Mitteln bekämpft werden.«

Noch am Vorabend des 24. Februar hat der Familienvater mit seinen beiden Söhnen in einem selbstgebastelten Zelt im heimischen Wohnzimmer übernachtet, alle eng aneinander gekuschelt. Die Idylle endet jäh am Morgen mit den ersten Explosionen in Kyiw. Chapeye, seine Frau Oksana und die beiden Kinder versuchen, mit ihrem gepackten »Notfall-Rucksack« die Stadt Richtung Westen zu verlassen. Ein Taxi muss organisiert, Checkpoints passiert werden. Beim Zwischenaufenthalt in einem Dorf westlich von Kyiw wird aus dem überzeugten Pazifisten Chapeye der Soldat Chapeye. Er meldet sich freiwillig zur Armee.

Wie es zu dieser existenziellen Entscheidung kam, schildert Chapeye anschaulich, gleichzeitig reflektiert er sein eigenes Denken und Handeln. Sartre, Jaspers, Kurt Vonnegut, Heinrich Böll und Ernest Hemingway haben ihre Auftritte. In dessen Klassiker »Wem die Stunde schlägt« erkennt der Protagonist, dass seine Stunde geschlagen hat, zu kämpfen. Chapeyes Schilderung ist erschütternd, vor allem, wenn man im friedlichen Tübingen sitzt und sich fragt, ob man selbst in so einer Situation stark genug wäre, richtig zu handeln. Dabei sieht sich Artem Chapeye nicht als Held. Er gibt zu, noch nie so viel geweint zu haben, wie nach der Trennung von Frau und Kindern, die ins Ausland flüchten mussten.

»Wofür kämpfen wir? Natürlich nicht für das absolut Gute. Wir sind keine „Krieger des Lichts“, sondern ganz gewöhnliche Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten. Wir kämpfen für ein gewöhnliches, unvollkommenes Leben, zu dem ich einfach nur zurückkehren möchte.« (Artem Chapeye)

Mitleiden, Mitempfinden

Es geht nicht ohne Mitleiden und Mitempfinden, wenn wir die Ukraine und ihre Menschen verstehen wollen. Und dazu bietet dieses Buch Gelegenheit.

Zum Beispiel, wenn der Journalist Stanislaw Assejew über seine schreckliche Leidenszeit im russischen Foltergefängnis Isoljazija in Donezk berichtet. Er schreibt, wie er der Opferrolle und dem Wahnsinn entkam, indem er (unter schwierigsten Bedingungen) anfing zu schreiben und sich nach seiner Gefangenschaft persönlich für die strafrechtliche Verfolgung seiner Peiniger eingesetzt hat.

Oder wenn wir den Bericht der mehrfach prämierten Journalistin Angelina Kariakina über das Drama der Zerstörung von Mariupol lesen. Auch sie nehmen wir nicht als Opfer war, wenn sie für das Netzwerk »The Reckoning-Project – Ukraine Testifies« gegen das Vergessen der russischen Kriegsverbrechen anschreibt.

Von großer Kraft zeugt auch der Text der Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Kateryna Iakovlenko, die in ihrer ausgebombten Wohnung in Irpin im August 2022 für einen Tag eine Ausstellung eröffnet. Się schreibt:

»Wir leben in einer visuellen Epoche, wir verfolgen den Krieg online, wir sehen den Tod fast in Echtzeit – da ist eine Ausstellung in einem ausgebrannten Raum an sich schon ein starkes emotionales und visuelles Statement.«

Bemerkenswert ist auch der Aufsatz des Osteuropahistorikers Karl Schlögel, der sich selbst eingestehen muss, die Ukraine lange Zeit durch die russische Brille betrachtet zu haben. Für ihn ist ganz klar, wo die Ukraine ab sofort zu stehen hat:

»Der Weg zu einem neuen Russlandbild führt über die Ukraine, die aufgehört hat, der Hinterhof, die Peripherie, die Provinz Russlands zu sein und die ins Zentrum Europas gerückt ist.«

»Aus dem Nebel des Krieges« ist eine herausgeberische Meisterleistung von Kateryna Mishchenko und Katharina Raabe. Das Buch ist ein Glücksfall für deutsche Leserinnen und Leser, weil es uns mehr als jeder Nachrichtenfilm oder Zeitungsartikel eine authentische, gleichzeitig reflektierte Bestandsaufnahme der aktuellen Situation der Ukraine liefert. Geschrieben inmitten der Trümmer ist jede Seite voll und ganz auf der Höhe der Zeit und zerreißt für uns den Nebel des Krieges. Mitherausgeberin Katharina Raabe gibt uns am Schluss diesen Satz mit auf den Weg:

»Die Gegenwart der Ukraine zu teilen, bedeutet, sich dem bisher Unvorstellbaren zu konfrontieren: dass der große Krieg in Europa ein Faktum ist, dem wir nicht ausweichen können.«

Wer über die Ukraine mitreden möchte, sollte dieses Buch lesen!

NK | CK

Buchinformation

Aus dem Nebel des Krieges. Die Gegenwart der Ukraine.
Herausgegeben von Kateryna Mishchenko und Katherina Raabe
edition suhrkamp, Suhrkamp Verlag Berlin, 2023
ISBN: 978-3-518-02982-4

Kateryna Mishchenko, geboren 1984, Essayistin, Übersetzerin und Verlegerin aus Kiew. Foto: Suhrkamp Verlag

Kateryna Mishchenko

Lesung in Tübingen

Kateryna Mishchenko wird am 23. September 2023, 13.00 Uhr beim Tübinger Bücherfest über ihr neues Buch sprechen. Das Gespräch wird die Tübinger Slavistik-Professorin Schamma Schahat moderieren. Infos hier.

Ein längeres Interview mit Kateryna Mishchenko kann man hier im SWR 2 Radio nachhören.

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»Oben Erde, unten Himmel« – ein außergewöhnlicher Roman

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Wenn ich einen Roman beendet habe, der mich gefesselt hat, muss ich normalerweise eine kurze Lesepause machen. Oder ich schiebe ein Sachbuch dazwischen. Ich bin innerlich noch mit dem Abschied von den Figuren beschäftigt, und das Gelesene braucht Zeit zum Nachwirken. Beginne ich zu früh für meine Leseseele einen neuen Roman, drückt sich das häufig darin aus, dass ich mich noch nicht auf die neuen Charaktere einlassen kann. Es ist durchaus vergleichbar mit Beziehungen im echten Leben.

Oben Erde, unten Himmel

Nun ja, dieser Sommer scheint anders zu sein. Ich lese einen tollen Roman nach dem anderen. Nach »Sommerwasser« bin ich abgetaucht in »Oben Erde, unten Himmel«, ein Roman von Milena Michiko Flašar, der 2023 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen ist. Suzu, die 25jährige Hauptfigur, lebt allein mit einem Hamster. Sie ist keine extreme Eigenbrötlerin, aber sie ist gerne allein:

Schuld daran war vielleicht mein Phlegma. Kontakt zu pflegen oder überhaupt zu knüpfen empfand ich als lästig. Es erschöpfte mich, jemanden kennenzulernen. All die Gespräche, die man führen musste, um auf eine gemeinsame Schnittmenge zu kommen! All die Missverständnisse und Verstrickungen, die sich dabei ergeaben! Wozu die Mühe? Es war schon anstrengend genug, ich selber zu sein.

Nachdem sie ihr Studium abgebrochen hat, jobbt sie als Aushilfskellnerin. Das Leben in einer japanischen Großstadt, in der so leicht die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion verschwimmt, kommt Suzu entgegen. Suzu wird jedoch alsbald gekündigt, und ihr Chef legt ihr nahe, sich eine Arbeit zu suchen, bei der sie möglichst wenig Kontakt zu Menschen hat, was Suzu sich zu Herzen nimmt.

In einer Zeit, in der »vernetzt zu sein« beständig als lohnenswertes Ziel ausgegeben wird, erscheint Suzu immer wieder als Außenseiterin, manchmal gar als unnahbar oder nicht teamfähig. Dabei macht sie sich durchaus viele Gedanken um andere, fühlt sich selbst aber oft nicht zugehörig. Manchmal ist sie auf Dating-Sites unterwegs, aber nach einer kurzen Beziehung mit Kôtarô067, der sie ohne Erklärung wie eine Mücke verscheucht hat, baut Suzu ihren Schutzwall wieder um sich auf.

Sie findet eine neue Arbeit – und die hat es in sich! Ich will hier nicht zu viel verraten. Aber so viel sei gesagt, dass es um die »letzten Dinge« geht. Eine Arbeit, bei der es um körperliche Überwindung, aber auch um Respekt und sogar Ehrfurcht geht. Und um ein Feingefühl, das die empfindsame Suzu ohne jeden Zweifel hat.

Widerwillig nimmt Suzu an einem Kirschblütenpicknick ihres neuen Arbeitgebers teil und lernt dabei Menschen kennen.

Widerwillig nimmt Suzu an einem Kirschblütenpicknick ihres neuen Arbeitgebers teil und lernt dabei Menschen kennen.

Die Ich-Erzähler-Perspektive, die die Autorin gewählt hat, bringt uns Suzu schnell sehr nahe. Flašar zeigt, dass introvertierte, kontaktscheue Menschen schnell in eine falsche Schublade gesteckt werden.

Das Verbindende zwischen Kulturen

Milena Michiko Flašar entführt uns mit ihrem Roman in die fremde Welt der japanischen Großstadt, ohne dass wir uns fremd fühlen. Das allein ist großartig gemacht. Flašar, 1980 im österreichischen St. Pölten als Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters geboren, verwendet immer wieder japanische Ausdrücke, durch die für uns Leser ein detailreiches Bild der gegenwärtigen Atmosphäre in einer japanischen Großstadt entsteht. Worterklärungen am Ende des Buches helfen uns bei den japanischen Ausdrücken sehr gut weiter. Und als Autorin, die mit zwei so unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen ist, schafft sie es, dem Leser immer wieder das Verbindende zwischen den Kulturen vor Augen zu führen:

Leben probiert man nicht aus. Man lebt es einfach. Es gibt keine Generalprobe. Keine Wiederholungen.

»Oben Erde, unten Himmel« ist ein tiefgründiger und zugleich heiterer Roman über schwierige Themen unserer Zeit, ein frisches, wunderbares Buch, dem wir viele Leser wünschen!

CK | NK

Buchinformation

Milena Michiko Flašar
Oben Erde, unten Himmel
304 Seiten, gebunden
Verlag Klaus Wagenbach Berlin, 2023
ISBN 978-3-8031-3353-3

Homepage der Autorin

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Oben Erde, unten Himmel. Ein wunderbarer Roman von Milena Michiko Flašar

Oben Erde, unten Himmel. Ein wunderbarer Roman von Milena Michiko Flašar

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Die Fotografin Doris Rosenkranz und ihr subjektives Objektiv

Photographien von Doris Rosenkranz. Hg. Burkhard Baltzer, Rechteinhaber

Photographien von Doris Rosenkranz. Hg. Burkhard Baltzer, Rechteinhaber

Mein subjektives Objektiv

So hat die Fotografin Doris Rosenkranz (14.5.1927 – 24.10.2014) die Sammlung von 24 Fotos genannt, die ich vor ein paar Tagen per Zufall in der Buchhandlung Wekenmann in Tübingen entdeckt habe. Neugierig gemacht auf die Box mit den 24 Schwarzweiß-Postkarten und einem kleinen Beiheft hat mich die Aussage der Buchhändlerin Helge Noack, Doris Rosenkranz sei unter anderem in Hechingen aufgewachsen. Da spitzt man als gebürtiger Hechinger die Ohren.

Gerade mal zehn Jahre hat Doris Rosenkranz, die 1927 in Tübingen als Doris Rosenfeld zur Welt kam, als Fotografin gearbeitet: von 1950 bis 1960. Viel zu kurz! So schreibt kein geringerer als Wolf Biermann in seiner kurzen Einführung zum Werk von Rosenkranz, der als Tochter assimilierter Juden 1939 mit ihrer Mutter die Flucht in die Schweiz gelang. Dort in der Schweiz macht sie nach dem Abitur eine Lehre als Fotografin, die sie 1955 als Beste abschloss. Schaut man sich heute ihre Fotos an, verwundert es nicht, dass die junge Frau die Ausbildung mit Auszeichnung bestand. Rosenkranz hat ein Auge für Situation und Komposition und besaß die Fähigkeit im »rechten Augenblick« (Cartier-Bresson) auf den Auslöser zu drücken. Wer selbst fotografiert, weiß, dass sich dieser Vorgang in wenigen Sekunden, manchmal nur Sekundenbruchteilen abspielt.

Mein subjektives Objektiv. Photographien 1950 – 1960 von Doris Rosenkranz. Texte von Wolf Biermann und Burkhard BaltzerBiermann sieht Doris Rosenkranz in der Tradition von August Sander und ostdeutschen Fotokünstlern wie Roger Melis oder Helga Paris bzw. Thomas Höpker und Barbara Klemm im Westen. Mich erinnern ihre ausdrucksstarken Fotografien (etwa die Aufnahmen des berühmten Theologen Karl Rahner oder der Ehefrau von Hermann Hesse, Ninon Hesse) auch an die Bilder der schweizerischen Foto- und Verlegerlegende Ernst Scheidegger.

Das Humane berührt

»Die Bilder von Doris Rosenkranz stehen heute für das Humane, das wir vermissen und das uns wohl deshalb so berührt.« So schreibt der in Tübingen lebende Journalist und Kulturveranstalter Burkhard Baltzer, dem wir die Wiederentdeckung der Fotokünstlerin Doris Rosenkranz zu verdanken haben. Schade, dass die Karriere der Künstlerin Doris Rosenkranz nur gut zehn Jahre dauerte. Ab 1961 hat sie als Lehrerin im Hochschwarzwald gearbeitet, wo sie mit ihrem Mann, dem Dichter Moses Rosenkranz, gewohnt hat.

Und falls jetzt hier Hechingerinnen und Hechinger mitlesen: Wäre es nicht schön, man könnte die Postkarten-Box auch in Hechingen im Buchladen erwerben? Und eine Ausstellung mit den Fotos der zum Teil in Hechingen aufgewachsenen Doris Rosenkranz im Weißen Häusle oder in der Villa Eugenia oder in der schönen Hechinger Synagoge würde bestimmt auf reges Interesse stoßen.

NK | CK

Buchinformation

Mein subjektives Objektiv:
Photographien 1950 bis 1960 von Doris Rosenkranz
24 Postkarten in stabiler Box
Texte von Wolf Biermann und Burkhard Baltzer (Hg.)
erhätlich in der Buchhandlung Wekenmann, Tübingen

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Urlaub in Schottland: »Sommerwasser«

»Draußen geschieht nichts. Regen, der See, die Bäume, noch mehr Regen.«

»Draußen geschieht nichts. Regen, der See, die Bäume, noch mehr Regen.«

Beäugen, beobachten, urteilen

»Mit Regen muss man hier rechnen, aber so ist es normalerweise nicht. Es regnet Bindfäden, hätte sein Vater gesagt. Wenn das so weitergeht, ist die Straße unten bald überschwemmt. Es ist kein schottischer Regen, eher tropisch, nicht dass er mal in den Tropen gewesen wäre oder auch nur dort hingewollt hätte.«

Im Juli 2023 erschien im Unionsverlag der neue Roman »Sommerwasser« der britischen Autorin Sarah Moss. In dieser scharfsinnigen Sozialstudie geht es um Touristen, deren Urlaub an einem schottischen See komplett ins Wasser fällt. Denn es regnet fast ohne Unterbrechung. Was dazu führt, dass nur wenige Unternehmungen möglich sind, und die kleine, zufällige Gesellschaft von Urlaubern in den Hütten am Seeufer sich gegenseitig beäugt, beobachtet und zu ihren Schlüssen kommt. Wir alle kennen das und machen das, im Bus, am Strand oder im Restaurant: sich aus flüchtigen Eindrücken ein Urteil über andere bilden. Blitzschnell geht das mitunter, so dass man es kaum bewusst wahrnimmt.

Wanderung von Kopf zu Kopf

Das langsam voranschreitende Geschehen wird in 12 Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Die Autorin wandert sozusagen von Kopf zu Kopf. Erst langsam entsteht für den Leser ein zusammengesetztes Bild. Wahrscheinlich um die einzelnen Personen erstmal besser umreißen zu können, hat Sarah Moss den personalen Erzählstil gewählt. Wir lernen die Person also erstmal mit Namen in ihrem Umfeld kennen. Kurze Dialoge, die häufig um das Wetter, den Urlaub, häusliche Verrichtungen oder die eigene Langeweile kreisen, werden im Fließtext wiedergegeben. Richtig interessant wird es jedoch dann, wenn die Autorin – zu Beginn etwas unvermittelt – auch den Gedankenstrom der jeweiligen Person wiedergibt. Denn hier hört regelmäßig der zivilisierte Umgang auf und die menschlichen Abgründe erscheinen …

So beginnt der Roman mit Justine, einer gestressten Mutter um die 40, die bereits um 5 Uhr morgens aufsteht, um beim Laufen Abstand zu ihrer Familie, insbesondere ihrem Mann Steve zu finden. So gut tut ihr mental das Laufen, dass sie die Strecke immer wieder um ein kleines Stück verlängert, obwohl sie die leisen Signale der Überforderung ihres Körpers nicht gänzlich ignorieren kann.

»Licht rinnt übers Wasser durchs Geäst. Auf dem See liegt der Himmel (...)«

»Licht rinnt übers Wasser durchs Geäst. Auf dem See liegt der Himmel (…)«

Da ist David, Arzt im Ruhestand, dem die fortschreitende Demenz seiner Frau Mary Sorgen bereitet. Da sind Kinder, die trotz des Regens nach draußen geschickt werden, und sich striezen. Und Jugendliche, die so genervt von ihren Eltern und der öden Situation sind, dass sie waghalsige Dinge tun. Das junge Paar, Milly und Josh, in deren Köpfe wir nacheinander ebenfalls wandern, scheinen die einzigen zu sein, denen der Regen weniger ausmacht, denn sie sind hauptsächlich miteinander im Bett beschäftigt.

»Sie öffnet die Augen, nimmt die Schottenkarovorhänge wahr und die Kiefernwände, den Geruch nach Lufterfrischer, den sie nicht mehr ständig bemerkt. Eine Tasse Tee und ein Schinkenbrötchen wären wunderbar, denkt sie, aber sie sagt, küss mich, und greift nach hinten, um das Kopfteil hinter ihrem Kopf zu fassen, das sich als leicht klebrig erweist.«

Schwieriges Zusammenleben

Im Urlaub verbringen wir meist weitaus mehr Zeit miteinander als im Alltag. Diese Herausforderung übersieht man bei der Vorfeude auf den Urlaub leicht. Der andauernde Regen verschärft die Situation für die Menschen am schottischen Loch: das Zusammensein ist erzwungen, genauso wie die Isolation von der Außenwelt. Neben dem Regen vereint die Gruppe zusätzlich ein nach und nach anwachsender Ärger über eine weitere Familie, die dort ebenfalls eine Ferienhütte gemietet hat. Von dieser Familie lernen wir nur das Kind Violetta aus Sicht eines anderen Kindes kennen, sie bleibt auch dem Leser fremd, wie ihr merkwürdiger Nachname, der jedoch nicht genannt wird.  Dem Regen trotzend feiert diese Familie mit lauter Musik bis spät in die Nacht hinein. Alle anderen Uralauber fühlen sich mehr oder weniger gestört und denken daran, irgendwann dagegen etwas zu unternehmen…

Mal einfühlsam, mal entlarvend, mal scharfsinnig-witzig entführt uns Sarah Moss in fremde Gedankenwelten und offenbart uns dabei das ganze Spektrum menschlichen Daseins: feine Dissonanzen, Missverständnisse, wunde Punkte bis hin zu düsteren Abgründen. Trotz der ständig wechselnden Perspektiven hat der Roman eine gute Spannung, die in einem fulminanten Schluss endet, den wir hier natürlich nicht verrraten.

Wir wünschen spannende Unterhaltung!

CK | NK

Buchinformation

Sarah Moss
Sommerwasser
übersetzt von Nicole Seifert | Marie Isabel Matthews-Schlinzig, Auszüge aus: The Ballad of Semmerwater
gebunden, 192 Seiten, Unionsverlag, Zürich
ISBN: 978-3-293-00609-6

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Tübingen liest: Bücherfest 2023

Tübingen liest! Einlesen fürs Tübinger Bücherfest 2023

Tübingen liest! Einlesen fürs Tübinger Bücherfest 2023

Bücherfest 2023: 22. bis 24. September 2023

In diesem Jahr findet in Tübingen wieder das Bücherfest statt, das 1998 erstmals von den Buchhandlungen Osiander und Gastl ins Leben gerufen wurde. Es findet alle zwei Jahre statt und ist mittlerweile für Freundinnen und Freunde der Literatur weit über Tübingen hinaus ein gesetzter Termin im literarischen Kalender.

Programmheft Tübinger Bücherfest 2023

Programmheft Tübinger Bücherfest 2023

Kein Wunder, bringen doch auch ganz große Namen ihre Bücher in unsere »kleine große Stadt«. In diesem Jahr lesen unter anderem: Doris Dörrie, Robert Seethaler, Adriana Altaras, Arno Geiger, Kateryna Mishchenko, Navid Kermani, Angelika Overath und der Shooting Star der Saison: Caroline Wahl. Letztere wird zwar nicht mit uns ein paar Bahnen schwimmen, dafür aber aus ihrem wunderbaren Debütroman »22 Bahnen« vorlesen.

Die Macherinnen und Macher des Tübinger Bücherfestes* haben ein reichhaltiges und bereicherndes Literaturmenü zusammengestellt, das großen Genuss verspricht. Das Programmheft liegt ab sofort in den Tübinger Buchhandlungen aus und kann hier als pdf runtergeladen werden. Karten für die einzelnen Veranstaltungen können auf der Bücherfest-Website gekauft werden.

NK | CK

* Das Bücherfest-Team

Monika Fridrich (Stadtbücherei Tübingen), Ulrike Geist (Lyrikhandlung am Hölderlinturm), Nancy Hünger (Studio Literatur und Theater), Helge Noack (Buchhandlung Wekenmann), Ulrike Sander und Heinrich Riethmüller (Osiandersche Buchhandlung), Frieda Ennen, Michael Raffel

Schöne Postkarte Nr. 230 · Das Foto für diese Postkarte entstand beim Tübinger Bücherfest 2017

Das Foto für diese Postkarte entstand beim Tübinger Bücherfest 2017. © Schöne Postkarten

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Haiku für eine Fichte

Nur 30 Jahre alt wurde die Fichte, jetzt haben ihr Trockenheit und ein Sommersturm den Garaus gemacht

Nur 30 Jahre alt wurde diese Fichte, Trockenheit und ein Sommersturm haben ihr den Garaus gemacht

Sommersturm –
der alten Fichte Tage
sind gezählt

Sommerstorm –
counted are the days
of the old spruce

Haiku für eine Fichte

Bis zu 300 Jahre alt können Fichten bei optimalen Bedingungen in unseren Breiten werden. Die ältesten Exemplare sind sogar über 8000 Jahre alt. Sie stehen in der mittelschwedischen Provinz Dalarna, wo Wissenschaftler das Alter einer einzelnen Fichte sogar auf fast 10.000 Jahre bestimmt haben. Mehr Informationen zu dieser »Methusalem-Fichte« gibt’s hier.

Fichten, der deutsche Wirtschaftsbaum schlechthin, leiden besonders unter dem Klimawandel: Hitze, Trockenheit und Schädlinge setzen ihr mächtig zu. Auch die schöne Fichte hinter dem ehemaligen Hühnerstall meiner Oma wurde jetzt ein Opfer der Trockenheit. Als Flachwurzler kann dieser Baum nicht genügend Wasser aus den Tiefen des Bodens ziehen (wenn es denn ausreichend Bodenfeuchte hat) und ist auch deutlich windanfälliger. Im letzten Sommersturm hatte sie sich deutlich geneigt und musste jetzt aus Sicherheitsgründen leider gefällt werden.

Ein schönes Buch über seinen Wald hat der Engländer John Lewis-Stempel geschrieben.: »Im Wald – Mein Jahr in Cockshutt Wood«. Wir haben es vor einer Weile hier im Blog besprochen.

NK | CK

Schöne Postkarte Nr. 133 · Der Trost der Bäume · © Schöne Postkarten, Tübingen

Schöne Postkarte Nr. 133 · Der Trost der Bäume · © Schöne Postkarten, Tübingen

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Sommermelancholie

Bank an der Wegkreuzung »Quatre Chemins« bei Ecussols im südlichen Burgund

Bank an der Wegkreuzung »Quatre Chemins« bei Ecussols im südlichen Burgund

The peonies gone
summer’s melancholy
starts to bloom

Haiku for our dear friends Julie and Jack Ridl who sure know about peonies, poetry and kindness.

Die Päonien verwelkt
jetzt blüht die
Sommermelancholie

Schönes Wochenende!

NK | CK

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Tempi Passati · Robert Gernhardt

Das Leben kann auch ohne Waschbrettbauch ziemlich cool sein. Foto: Norbert Kraas

Das Leben kann auch ohne Waschbrettbauch ziemlich cool sein. Foto: Norbert Kraas

Tempi Passati

Blütenfrohe Jugendzeit,
als mein Bauch ein Brett war,
weil die Folge guter Kost
Wachstum und nicht Fett war.
Seit sich das geändert hat,
was nicht gerade nett war,
seufz ich der Verlornen nach,
golden, doch unrettbar

Robert Gernhardt

Hund und Sisyphos

Jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe rolle ich meine Gymnastikmatte aus und mache, unter den mitleidigen Blicken unseres Hundes, meine Übungen. Primär bringe ich diese Disziplin für meinen unteren Rücken auf, aber ein bisschen gönne ich mir an manchen Tagen die naive Hoffnung, ich könne so den Alterungsprozess, wenn nicht stoppen, so doch zumindest verlangsamen. Wenn unsere Hündin sprechen könnte, würde sie mir wahrscheinlich sagen, dass man sich den Mann auf der Matte, der da so komische Verrenkungen macht, als glücklichen Menschen vorstellen muss.

Einer der Besten

Vor ein paar Tagen hat mich ein Bekannter auf Twitter mal wieder auf Robert Gernhardt aufmerksam gemacht, der am 13. Dezember 1937 in Tallinn (Estland) zur Welt kam und am 30. Juni 2006 in Frankfurt am Main zu früh verstarb. Volker Weidermann hat den wunderbaren Gernhardt in einem Artikel am 2.7.2006 in der F.A.Z. „als Künstler des hohen Tons und leichten Witzes“ bezeichnet und: „Als einen der besten Dichter, die wir je hatten.“

Dem ist ist nichts hinzuzufügen – außer vielleicht, dass wir alle, gerade in diesen verbissenen, herausfordernden Zeiten, in denen Häme und Hass zu leichtes Spiel haben, viel öfter Gernhardt lesen sollten. Sein Humor und seine klugen Worte, sie fehlen!

NK | CK

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