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Redlining, Weblining, Circle of Trust

Badstrasse trifft Schlossallee
Mal angenommen, Sie wohnen in der Badstrasse (Monopoly, Sie wissen schon) und betreiben dort ein kleines Restaurant. Ihre Gäste sind Leute aus dem Viertel: Arbeiter, kleine Angestellte, Studenten, Künstler. Ihr Geschäft brummt und Sie überlegen sich, sagen wir, in eine neue Gastroküche zu investieren. Aber weil Sie nicht im Geld schwimmen, brauchen Sie einen Kredit. Den beantragen Sie bei der Bank, von der Sie in der Werbung gehört haben, dass sie sich besonders für die Kleinunternehmer einsetzt. Nun hat diese Bank aber Ihren Sitz nicht in der Badstrasse, sondern in der schicken Schlossallee: Glasfront, viel Chrom, gedämpfte Atmosphäre, Sie kennen das. Als der Kundenberater hört, wo Ihr Geschäft liegt, zieht er fast unmerklich die Augenbrauen nach oben und innerlich eine rote Linie.

Redlining Report. Cover. Source: www.encyclopedia.chicagohistory.org

Redlining Report 1974

Redlining
Redlining nennt man das in den USA, wenn eine Bank den Bewohnern bestimmter Viertel keine Kredite oder Hypotheken vergibt. Dabei zog oder zieht die Bank auf einer Karte rote Linien um Gebiete, in denen man besser nicht investiert. Zurückverfolgen lässt sich diese Art von Diskrimierung, die bis heute anhält, lt. Wikipedia bis in in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich bin überzeugt, dass dies kein rein amerikanisches Phänomen ist.

Weblining
Nach dem Redlining gibt nun das sogenannte Weblining. Da werden keine roten Linien in echte Landkarten gemalt, sondern virtuelle Linien gezogen. „So beschreibt der Begriff ‚Weblining‘ nun die Praxis, Menschen aufgrund ihrer digitalen Existenzen abzulehnen.“ Dies schreibt Lori Andrews, Direktorin des Institute for Science, Law and Technology am Chicago-Kent College of Law, in einem sehr lesenswerten Artikel über die Folgen der gigantischen Datensammlungen von Facebook, Googel und Konsorten in der SZ vom 10.2.2012. Zum Artikel bitte hier klicken.

Circle of Trust
Gut möglich also, dass mit einem ständig größer werdenden Online-Freundeskreis der Circle of Trust immer kleiner wird.

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Unvergesslich banal und pathetisch

Geht’s eigentlich noch? Da will man auf dem Weg ins Büro noch schnell einen Kontoauszug ziehen und wird aus heiterem Himmel vom Bankomat aufgefordert, etwas Unvergessliches zu erschaffen (ja, da steht wirklich erschaffen); und das morgens kurz nach Acht.

Eigentlich keine schlechte Idee, was Unvergessliches zu schaffen. Wir stellen uns ja alle hin und wieder die Frage, was vom Tage oder vom Leben übrig bleibt. Ja, ich weiß, der Bankomat hat ein Wortspiel probiert. Aber manchmal sind Wortspiele eine Nummer zu groß, und dann wirken sie unangenehm plump und pathetisch. Wer will schon, dass man sich später mal nur an seine unvergessliche PIN erinnert? „Er war eigentlich ein echt spießiger Langweiler, aber mit seiner PIN, da hat er was Unvergessliches erschaffen.“

Unvergesslich: Sprechender Bankomat 1

Unvergesslich, lieber Bankomat, sind Momente wie der, als Günter Netzer sich im Pokalfinale 1973 (Gladbach gegen Köln) selbst eingewechselt und dann das Siegtor erzielt hat. Ergo: Weg frei machen für bessere Texte!

Schönes Wochenende!

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Multimedia in der Sixtinischen Dimension

„Ohne die Sixtinische Kapelle gesehen zu haben, kann man sich keinen anschauenden Begriff machen, was ein Mensch vermag.“ (Goethe)

Deckenausschnitt der Sixtinische Kapelle in Rom. Quelle: www.vatican.va/various/cappelle/sistina_vr/index.html

Deckenausschnitt der Sixtinischen Kapelle in Rom. Quelle: www.vatican.va/various/cappelle/sistina_vr/index.html

Hier gehts zur Multimediaseite der Sixtinischen Kapelle. Sehenswert!

Manchmal hat das Internet ja auch was für sich. Zum Beispiel am Wochenanfang, wenn die Dinge noch nicht so richtig rund laufen, zur Erbauung mit einem Mausklick in die Sixtinische Kapelle. Ich bin beeindruckt – von der Kapelle und dieser wahrlich „begnadeten“ Kunst, aber auch davon, was der Vatikan da multimedial auf die Beine gestellt hat. Danke für den Tipp, Jörn.

Goethe schreibt in seiner „Italienischen Reise“:
Rom, den 2. Dezember 1786.
Das schöne, warme, ruhige Wetter, das nur manchmal von einigen Regentagen unterbrochen wird, ist mir zu Ende Novembers ganz was Neues. Wir gebrauchen die gute Zeit in freier Luft, die böse im Zimmer, überall findet sich etwas zum Freuen, Lernen und Tun. Am 28. November kehrten wir zur Sixtinischen Kapelle zurück, ließen die Galerie aufschließen, wo man den Plafond näher sehen kann; man drängt sich zwar, da sie sehr eng ist, mit einiger Beschwerlichkeit und mit anscheinender Gefahr an den eisernen Stäbenweg, deswegen auch die Schwindligen zurückbleiben: alles wird aber durch den Anblick des größten Meisterstücks ersetzt. Und ich bin in dem Augenblicke so für Michelangelo eingenommen, daß mir nicht einmal die Natur auf ihn schmeckt, da ich sie doch nicht mit so großen Augen wie er sehen kann. Wäre nur ein Mittel, sich solche Bilder in der Seele recht zu fixieren! Wenigstens was ich von Kupfern und Zeichnungen nach ihm erobern kann, bring‘ ich mit.

Quelle: http://www.textlog.de/7126.html. aus: Goethe: Italienische Reise. Von Hanser gibt es eine schöne Ausgabe: ISBN 978-3-446-17323-1.

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Titscher – titscher – titscher – dirr…

Teich bei Bebenhausen. Foto: Norbert Kraas

Teich bei Bebenhausen. Foto: Norbert Kraas

Wenn es Winter wird

Der See hat eine Haut bekommen,
so dass man fast drauf gehen kann,
und kommt ein grosser Fisch geschwommen,
so stösst er mit der Nase an.

Und nimmst du einen Kieselstein
und wirfst ihn drauf, so macht es klirr
und titscher – titscher – titscher – dirr…
Heißa, du lustiger Kieselstein!

Er zwitschert wie ein Vögelein
und tut als wie ein Schwälblein fliegen –
doch endlich bleibt mein Kieselstein
ganz weit, ganz weit auf dem See draussen liegen.

Da kommen die Fische haufenweis
und schaun durch das klare Fenster von Eis
und denken, der Stein wär etwas zum Essen;
doch sosehr sie die Nase ans Eis auch pressen,
das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,
sie machen sich nur die Nasen kalt.

Aber bald, aber bald
werden wir selbst auf eignen Sohlen
hinausgehn können und den Stein wiederholen.

Christian Morgenstern (1871-1914)

Eiskalte Kommunikation in Form von Geschäftsberichten gibt’s hier zu sehen. Ein Cover-Beispiel:

Cover Geschäftsbericht MUK AG. © Kraas & Lachmann.

Cover Geschäftsbericht MUK AG. © Kraas & Lachmann.

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Die iPhone-Wirtschaft und Amerikas Jobproblem

„The iPhone Economy“. Quelle: www.nyt.com Screenshot: Kraas & Lachmann

„The iPhone Economy“. Quelle: www.nyt.com Screenshot: Kraas & Lachmann

Die New York Times wirft einen Blick auf Amerikas stotternde Jobmaschine und stellt sich die Frage, warum die „iPhone-Jobs“ endgültig verloren sind. Der ganze Artikel wird multimedial durch einem gut gemachten vierminütigen Film ergänzt.

Zum Artikel bitte hier klicken

Nicht beantwortet wird die Frage, wer die Fangnetze produziert hat, die zwischen den Fabrikationsgebäuden des Apple-Zulieferers Foxconn aufgespannt wurden, um Todesstürze durch unzufriedene Arbeiter zu verhindern. Da bekommt der Begriff Netzwerk doch mal eine ganz andere Bedeutung.

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Auschwitz? Nie gehört.

Heute ist der Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus. Es wird viele Veranstaltungen geben, und Marcel Reich-Ranicki wird im Bundestag sprechen. Laut einer Umfrage des Magazins STERN bringen 21 Prozent der unter Dreißigjährigen in Deutschland den Namen Auschwitz nicht mit dem Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten in Verbindung. 31 Prozent der Deutschen wissen nicht, dass Auschwitz in Polen liegt. 43 Prozent der Deutschen haben noch nie eine KZ-Gedenkstätte besucht.

„Sketchbook from Auschwitz“ · Screenshot: Kraas & Lachmann.

„Sketchbook from Auschwitz“ · Screenshot: Kraas & Lachmann.

Eine Möglichkeit, sich diesem anstrengenden Thema zu nähern, ist das Buch „The Sketchbook from Auschwitz“, über das der SPIEGEL in einem Artikel in der Online-Ausgabe berichtet. Das Museum Auschwitz veröffentlicht in diesem Buch erstmals Zeichnungen, die ein unbekannter KZ-Häftling vom alltäglichen Grauen angefertigt hat: von der Selektion an der Rampe bis zu den Krematorien. Kaufen kann man das Buch direkt beim Auschwitz Birkenau State Museum. Einige der erschütternden Zeichnungen kann man auf SPIEGEL online betrachten, hier der Link.

update: 27.1.2012, 14.00

Die Rede Marcel Reich-Ranickis im Bundestag am 27.1.2012

Teil 1 von 2

Teil 2 von 2

Quelle: Youtube-Kanal Flashbertz Danke.

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KODAK, Kühlschrank, Kultur

Kodak, Kühlschrank, Kultur. Foto: Kraas & Lachmann

Kodak, Kühlschrank, Kultur. Foto: Kraas

Film voll
Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als man seine vollen Filme noch ins Foto­fach­geschäft (ja, so hieß das) gebracht hat und mit angespannter Vorfreude den Tag herbeisehnte, an dem man seine Abzüge oder Dias abholen durfte? Ich erinnere mich noch gut daran, und auch an etliche Momente bitterer Ent­täuschung, wenn gerade das eine tolle Foto dann doch nicht so toll war.

Sakralraum Dunkel­kammer
Ich weiß auch noch genau, wie das war, als wir das erste Mal bei meinem Freund Stephan unsere Filme selbst entwickelt und mit Herzklopfen und großen Augen die teuren Fotopapiere durch diverse Bäder gezogen haben. Das hatte etwas Sakrales, so ehrfürchtig haben wir das Papier, auf dem ganz langsam ein Bild erschien, mit der Zange angefasst. Der stechende Geruch der Entwicklungs- und Fixierbäder war unser Dunkelkammer-Parfum.

Wenn Filme weinen könnten
Und jetzt? Vor ein paar Tagen hat KODAK Insolvenz angemeldet, eine große Marke steht kurz vor dem Untergang. Beim Blick in unseren Kühl­schrank heute morgen haben mich ein paar vergessene Filmrollen zwischen Schokolade und Kühlkissen ganz vorwurfsvoll angeschaut. Ich bin sicher, wenn Filme weinen könnten, wäre unser Küchenboden heute ein Tränenmeer; und irgendwie fühle ich mich ein bißchen wie ein Verräter, weil ich das HIPSTA-Bild da oben gemacht hab.

Zum Weiterlesen
„Jahrhundert der Wunder“ heißt ein schöner Text, den der Fotograf und Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler zum Niedergang von KODAK geschrieben hat. Nachzulesen in der Neuen Zürcher: bitte hier klicken.

Die SZ erinnert in ihrem Bilderblog an die KODAK-Jahre, darunter auch ein paar sehenswerte Anzeigenmotive.  Zum Blog bitte hier klicken.

Wie geht’s Ihnen, wenn eine Marke, mit der man so viel verbindet, den Bach runtergeht?

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