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Freitagsfoto: The Blue Watering Can

The Blue Watering Can

so much depends
upon

a blue
watering can

on the white
snow

beside the green
one

frei nach William Carlos Williams

Arzt und Dichter

Der amerikanische Dichter William Carlos Williams (1883 – 1963) hat sein ganzes Leben als Kinder- und Allgemeinarzt in seiner Geburtsstadt Rutherford in New Jersey an der amerikanischen Ostküste verbracht. Geschrieben hat er meist in aller Herrgottsfrühe vor den Sprechstunden oder am späten Abend; oft hat er sich auch zwischen zwei Patienten schnell ein paar Notizen gemacht.

Apfel und Hirn

Williams gilt heute als einer der Wegbereiter der Moderne und als der erste Dichter, der seine Themen und seine Sprache dem amerikanischen Alltag entnahm. Immer geht es Williams um das genaue Hinschauen, die Betrachtung aller Details eines Gesichtes oder eines Objektes im jeweiligen Moment. Dieses Objekt konnte ein Apfel sein, wie in dem Gedicht „Perfection“, oder ein Hirn ohne Schädeldecke, das er als Student im Sezierkurs gesehen hatte („These Purists“), oder auch eine rote Schubkarre, die er in einem seiner bekanntesten Gedichte „The Red Wheelbarrow“ besungen hat. Zu diesem Gedicht gibt es eine nette Anekdote, die ich vor Jahren in einem Text von Stefana Sabin in der Neuen Zürcher Zeitung (27.3.1999) gelesen habe:

Geschenkt

Wallace Stevens, ein anderer Großmeister der amerikanischen Lyrik des 20. Jahrhunderts, war mit Williams befreundet und hat diesem in einem Brief im Jahr 1915 von seinen Schwierigkeiten mit den letzten Zeilen eines Gedichts berichtet, an dem er, Stevens, gerade arbeitete. Williams riet Stevens die letzten Zeilen einfach wegzulassen. Stevens folgte dem Rat und schenkte Williams diese Zeilen, aus denen Williams dann einen lyrischen Klassiker formte, den wohl die meisten älteren Amerikaner auswendig können.

The Red Wheelbarrow

so much depends
upon

a red wheel
barrow

glazed with rain
water

beside the white
chickens.

Rowohlt hat 2001 eine zweisprachige Ausgabe der Gedichte von William Carlos Williams als Taschenbuch rausgebracht. Dort findet man auch die Übertrag von „The Red Wheelbarrow“ von Walter Fritzsche:

Die rote Schubkarre

so viel hängt ab
von

einer roten Schub-
karre

glänzend von Regen-
wasser

bei den weißen
Hühnern

Poetisch schön: Paterson

Eine filmische Annäherung an William Carlos Williams bietet übrigens der Film „Paterson“ von Jim Jarmusch aus dem Jahr 2016, der die Geschichte des dichtenden Busfahrers Paterson in der amerikanischen Kleinstadt Paterson erzählt. Es ist wohl kein Zufall, das das berühmteste Langgedicht von Williams auch Paterson heißt. Paterson ist ein leiser, poetischer, stellenweise anrührender Film und damit ein wohltuender Gegensatz zu dem lauten Gebrüll, mit dem uns der Bewohner des Weißen Hauses jeden Tag aufs Neue auf die Nerven geht.

Infos zum Buch:

William Carlos Williams: Gedichte
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2001
ISBN 3-499-22840-8
nur noch antiquarisch erhältlich

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