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Proust, Schmidt, Cassidy

Der Strand von Cabourg (Normandie), das bei Marcel Proust Balbec heißt

Der Strand von Cabourg (Normandie), das bei Marcel Proust Balbec heißt

„Dort hat jeder Sommer ein eigenes Gesicht gehabt, die Form eines Wesens und eines Landes, aber noch mehr die Form eines Traumes, in dem ich alles miteinander – Wesen und Land – vermischte.“ Marcel Proust

Proust

Keine Sorge, das wird hier keine Besprechung der siebenbändigen „Recherche“, wie auch deutsche Leserinnen und Leser Prousts Mammutwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ salopp nennen – wenn sie den siebten und letzten Band geschafft haben. Ob man Proust gelesen haben muss? Das sollte jeder selbst entscheiden. Hat man sich dazu entschieden, die Pilgerschaft durch die mehrere tausend Seiten anzutreten, sind drei Dinge hilfreich, so viel kann ich schon sagen. Erstens: sich nicht zu viele Seiten pro Tag vornehmen; zweitens: auf diese Expedition unbedingt einen kundigen, humorvollen Führer mitnehmen; und drittens: unbedingt in der Nachsaison in die Normandie reisen.

Letzteres haben wir gerade gemacht und sind noch immer verzaubert – von fast leeren, weiten Stränden, dem Kreischen der Möwen, dem (mitunter auch an den Nerven zerrenden) Krachen der Brandung und von den sanften, grünen Hügeln des Hinterlandes. Natürlich hatten wir Proust dabei, und natürlich waren wir auch in Cabourg, dem Ort, den sowohl Proust als auch sein Erzähler so geliebt haben. Im Roman heißt der Ort übrigens Balbec und das Grand Hotel, in dem Proust wohnte, wenn er in der Normandie war, steht noch an der unfassbar langen Uferpromenade im vollem Glanz der Belle Epoque.

Besonders sehenswert in Cabourg ist die „Villa du Temps retrouvé“, ein Museum, das uns zum einen Marcel Proust und seine Zeit näherbringt. Das Museum ist ziemlich neu und wirklich hervorragend gemacht, in Frankreich kann man so was. Dazu sind unsere Nachbarn in der beneidenswerten Lage, dass sie so ein Museum ohne Probleme mit original Kunstwerken aus der Zeit bestücken können: Monet, Manet, Boudin, Rodin. Neben den Bildern, Möbeln, original Manuskripten wird man als Besucherin auch mithilfe der Musik, die im Werk Prousts eine große Rolle spielt, in die Zeit der Belle Epoque versetzt.

Schmidt

„Ich hatte geplant, ein halbes Jahr jeden Tag zwanzig Seiten Proust zu lesen, (…)“ schreibt Jochen Schmidt in seinem Buch „Schmidt liest Proust“, das 2021 in einer veränderten Neuausgabe bei Voland & Quist erschienen ist. Schmidt ist der ideale Expeditionsleiter durch die sieben Bände. Ich bin aktuell in der Mitte des dritten Bandes (Guermantes) und ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich es ohne Schmidt packen würde. Proust perlt ja nicht auf jeder Seite wie Champagner, sondern mutet seinen Leserinnen und Lesern immer wieder Passagen zu, die an abgestandenen Cidre erinnern, den man dann halt auch verdauen muss. Da ist es ziemlich tröstlich, dass auch der Autor Schmidt „Schon am zweiten Tag Zweifel am Unternehmen“ hat. Michael Maar, selbst ein eminenter Proust-Kenner, hält Schmidts Buch für eines der besten Bücher über Proust (SZ 22.4.2009). Dass der Verlag Voland & Quist dieses Buch verlegt hat, dafür sollte man den Leuten dort die Goldene Madeleine überreichen, mindestens, und Jochen Schmidt sowieso.

Cassidy

Wie schon erwähnt, spielt die Musik sowohl in Prousts Werk als auch in seinem Leben eine wichtige Rolle. Letzteres gilt wahrscheinlich für die meisten von uns. Kaum hören wir eine Musik, die wir kennen, vielleicht noch aus unserer Kindheit, trägt uns unsere Erinnerung für einen Moment (oder auch länger) zurück in die Situation, in der wir dieses Lied zum ersten Mal gehört haben. Und damit sind wir bei Eva Cassidy, eine Sängerin, die bis vor wenigen Wochen in unserem Haushalt kein Begriff war; aber das muss nichts heißen.

Es war die Schriftstellerin Natascha Wodin, die in einem Interview meinte, Eva Cassidys Version von „Autumn Leaves“ wäre die schönste überhaupt. Man mag da nicht widersprechen:

Eva Cassidy war eine amerikanische Sängerin mit einer unglaublichen Stimme. Sie wurde am 2. Februar 1963 geboren und starb an einem Krebsleiden am 2. November 1996 im Alter von nur 33 Jahren; und richtig berühmt wurde sie erst nach ihrem viel zu frühen Tod. Ich habe ein wenig recherchiert und im Deutschlandfunk eine schöne Würdigung dieser einzigartigen Künstlerin gehört, die während ihrer ganzen Karriere praktisch nur Songs von anderen Künstlern gesungen hat. Diese aber hat sie so gut interpretiert, dass zum Beispiel Sting meinte, Cassidys Fassung von „Field of Gold“ sei besser als seine eigenen. „Jeder muss einmal im Leben Eva Cassidy gehört haben“, meint die Redakteurin Kerstin Poppendieck in dem hörenswerten Beitrag, den man hier findet.

Macht’s gut, bis zum nächsten Mal!

NK | CK

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2 Kommentare

  1. Torsten Schröder 21. Oktober 2022 um 17:52

    Liebe Corinna, lieber Norbert,

    ich habe gerade beim Hören von Eva Cassidy einige Tränen in meinen Augen gespürt. Ich wusste gar nicht, dass Ihr einen Adels – Tick habt. Das Buch von Jochen Schmidt bestelle ich jetzt gleich. Viele Grüße, Schr o e

  2. Meine Erfahrungen mit Proust:
    Als ich Proust kennenlernte, war vorher einiges schief gegangen: ich war für mein1. Semester nach Mainz zum Studieren gekommen. Warum Mainz?. Eigentlich wollte ich mit einem neuen Freund in Frankfurt studieren. Das durfte ich aber nicht, weil, wie mein Vater sagte, dort nur Kommunisten waren. Mainz, nicht weit entfernt, wurde akzeptiert, aber als ich dort ankam, war die Freundschaft schon wieder vorbei.
    Nun versuchte ich mich im Studieren, was, wusste ich nicht so richtig, vielleicht wäre Journalistin was für mich, aber welche Fächer studiert man dafür? Ich entschied mich für Deutsch und Publizistik und landete in einer Vorlesung, in der der Professor mit Inbrunst “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” vorlas. Das war mein Anker in diesem ersten kalten Wintersemester. Einmal wöchentlich genoss ich das Vorlesen u d Kommentieren des Professors, an den restlichen Wochentagen saß ich in der warmen Bibliothek und las Proust , und träumte mich mit ihm durch die Einsamkeit meines ersten Semesters.

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