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Vatertag: Gedicht statt Bollerwagen

Erinnerungen sind häufig an Gegenstände gebunden – auch an Rasenmäher

Erinnerungen sind häufig an Gegenstände gebunden – auch an Rasenmäher

Was bleibt, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist? Die Erinnerungen bleiben, und diese sind häufig mit Gegenständen und Räumen verbunden. Rainer Moritz hat darüber ein Buch geschrieben, das wir letzten Herbst hier im Blog besprochen haben.

Ich bin vor wenigen Tagen auf tröstliche Zeilen von Jack Ridl zu diesem Thema gestoßen. Ridl beschreibt darin die Suche eines dichterischen Ichs nach dem verstorbenen Vater. „Searching Again for My Father“ heißt das Gedicht, und diese Suche beginnt in einer Garage zwischen Öldosen, Farbbüchsen, Handschuhen, Nägeln, kaputten Sägeblättern. Von dort geht es hinaus in den Garten, zum blühenden Apfelbaum, den der Vater gepflanzt hat, in einer Astgabel ein leeres Spatzennest.

Zeile für Zeile, Vers für Vers nimmt uns Ridl mit auf seiner Suche: er öffnet eine alte Militärtruhe, zeigt uns Rangabzeichen und Schachteln mit Briefen, schaut unter dem Tisch, wo der Hund schläft und endet schließlich mit einer überraschenden Wendung.

Searching again for My Father

I have looked through the garage, shelves
stacked with engine oil, cans of paint, piles
of rags and gloves and old hats, boxes
of shoes, nails, broken saw blades, clocks.

And in the crab apple tree he planted
in the back left corner of the yard,
in its burst of white blossom, in
the empty sparrow nest that has sat
for years within the fork of a branch.

Maybe here, I think, across the room,
sleeping in front of the summer-empty
fireplace, or sitting on the mantle looking
toward the closed white kitchen door.

Or here, right here, in this chair, scribbling
across this very notebook, smiling at each
fallen word, thinking I still don’t know why.

In the basement? Opening the army steamer
trunk, taking out the medals, the captain’s
bars, the box of letters, and the pen-and-ink
drawings he foung within the rubble of France.

Or under the dining table, where the dog
sleeps, breathing softly, velvet eyelids ready
to rise at the sound of “Walk,” ragged toy lion
lying drool-enameled by his dream-twitching nose.

Or maybe in the sigh at the day’s end. Maybe
in the last twenty pages of the book I’ve been
reading for a week. Maybe I passed by him
at the opening of Chapter Four, when I wondered
why the writer, without warning, shifted point of view.

Informationen zum Buch

Jack Ridl
Practicing to Walk Like a Heron
Wayne State University Press, Detroit, 2013
ISBN: 9780814334539

Jack Ridl ist emeritierter Professor für Literatur, wurde von der Carnegy Foundation als Professor des Jahres 1996 für Michigan ausgezeichnet und hat etliche Literaturpreise gewonnen. Wer mehr von Jack Ridl lesen möchte, dem empfehle ich seinen lesenwerten Blog. Die Süddeutsche Zeitung hat Jack Ridl letztes Jahr an Ostern eine Seite Drei gewidmet.

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