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Eisheiliges Sauwetter

Zartrosa leuchten die Quittenblüten im kalten Regen

Zartrosa leuchten die Quittenblüten im kalten Regen

Sauwetter!
wie sie leuchten
die Blüten der Quitte

Kranō

Kalte Sophie

Hand aufs Herz, wer kann die fünf Eisheiligen aufsagen? Ich muss auch jedes Jahr im Kalender nachschauen, wer da die eisheiligen Wetterkapriolen für alle Hobbygärtnerinnen und -gärtner bereit hält. Dabei hat Oma Liesel, ein Expertin in Sachen Krautland (Hochdeutsch: Nutzgarten) und Heilige, mit mir die Namen so oft geübt.

Los geht’s am 11. Mai mit Mamertus, der im 5. Jahrhundert Erzbischof von Vienne war. Dann folgt am 12. Mai Pankratius, ein Märtyrer der frühen christlichen Kirche, auch Schutzpatron der jungen Saat und der Blüten. Weiter geht’s am 13. Mai mit Servatius, Bischof von Tongern im 4. Jahrhundert; ihn anzurufen soll gegen Ratten, Mäuse, Fußleiden und Fieber helfen. Bonifatius von Tarsus ist der vierte Eisheilige, ein Märtyrer, der um 306 n. Chr. schrecklich gefoltert und mit siedendem Pech hingerichtet wurde; er ist der Schutzheilige der Bierbrauer, und wir lesen, dass er in jungen Jahren gerne gefeiert, getrunken und gewürfelt hat. Den Abschluss der Eisheiligen macht am 15. Mai die frühchristliche Märtyrerin Sophia, die vermutlich um 300 n. Chr. starb. Bei der Oma hieß sie nur Kalte Sophie, grade so wie eine alte Bekannte, mit der man sich über den Gartenzaun unterhält.

Die Bauernregel lautet übrigens, dass man erst nach der Kalten Sophie mit der Saat beginnen soll, weil erst dann das mildere Frühlingswetter stabil ist. Nun, der Klimawandel wird auch hier einiges durcheinanderwerfen in der Zukunft. Aber in diesem Jahr machen die Eisheiligen ihrem Namen – zumindest in der Region Tübingen – alle Ehre. Während ich diese Zeilen schreibe, regnet es mal wieder (sehr gut für den Grundwasserspiegel, wie der Dürremonitor zeigt!), und das Thermometer quält sich mühsam über die 12-Grad-Marke.

Nasse Haiku

Dass kaltes, regnerisches Sauwetter durchaus inspirierend sein kann, entnehmen wir dem Haiku-Band „Weisse Tautropfen – 300 Haiku zu Regen und Nebel und Meer …“. Das schmale Buch versammelt Haiku aus den unterschiedlichsten Epochen von bekannten und (mir) unbekannteren japanischen Dichterinnen und Dichtern. Kenntnisreich zusammengestellt wurde die lesenswerte Sammlung von der deutschen Philosophin Ute Guzzoni und der japanischen Philosophieprofessorin Michiko Yoneda. Die 300 Haiku werden ergänzt durch einen einleitenden Aufsatz von Ute Guzzoni zum Auswahl- und Übersetzungsprozess und ein paar Gedanken zum Haiku von Michiko Yoneda. Für diejenigen, die der japanischen Sprache mächtig sind: die Haiku sind sowohl auf Japanisch als auch in Transkription abgedruckt.

Das Haiku am Anfang unseres heutigen Beitrags wurde inspiriert durch ein Haiku von Hino Sōjō:

Regenschauer –
so herrlich noch
die letzten Chrysanthemen

Hino Sōjō

Frühlingswolken und Frühlingsgräser in Waldhausen

Frühlingswolken und Frühlingsgräser in Waldhausen

Und sehr passend zu diesem nassen, idealen Pflanzwetter dichtete Takahama Kyoshi:

Frühlingswolken
am Himmel – auf der Erde
Frühlingsgräser

Takahama Kyoshi

In diesen Sinne, genießt das Wetter, wir können’s nicht ändern.

NK | CK

PS: Wer die Gunst der nassen Stunde nutzen möchte und Pflanzen für den Balkon oder Garten sucht: an diesem Wochenenende öffnet die feine Stauden- und Kräutergärtnerei von Erika Jantzen in Tübingen ihre Pforten, jeweils Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Ein Besuch dort lohnt sich bei jedem Wetter, und sei’s nur zum Schauen und für ein Glas Rosé im Gartencafé. Alle Infos hier.

Buchinformation

Weisse Tautropfen: 300 Haiku zu Regen, Nebel und Meer …
ausgewählt und übertragen von Ute Guzzoni und Michiko Yoneda
Taschenbuch, Parerga Verlag, Berlin, 2006
ISBN: 3937262423
leider nur noch antiquarisch erhältlich

Albert Christian Sellner
Immerwährender Heiligenkalender
Leineneinband, 2. Auflage 1999
Zweitausendeins, Frankfurt
ISBN: 3-86150-282-8

Gertrude Jekyll (1843 – 1932) war ein berühmte englische Gartengestalterin · © www.schoenepostkarten.de · Sauwetter

Gertrude Jekyll (1843 – 1932) war ein berühmte englische Gartengestalterin · © Schöne Postkarten, Tübingen

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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für die Eisheiligen. Ich hatte mir – als ehemalige Protestantin nie Gedanken gemacht, dass das 5 verschiedene sind und kannte nur die „kalte Sophie“.
    Auch wenns einen friert: für den Fotografen gibt es beeindrcukende Motive, wie das Foto mit den tiefhängenen Wolken. Sehr gelungen!
    Beste Grüße vom Bodensee, wo sich die kalte Sophie für ein paar Tage länger eingerichtet hat
    Inge Simon

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