Permalink

off

Freitagsfoto: Framing

Der Rahmen – das Framing – gibt vor, worauf der Betrachter seinen Blick lenken soll. Dieser künstlerische Rahmen befindet sich auf einem privaten Anwesen im Languedoc in Frankreich.

Der Rahmen – das Framing – gibt vor, worauf der Betrachter seinen Blick lenken soll. Dieser künstlerische Rahmen befindet sich auf einem privaten Anwesen im Languedoc in Frankreich.

Framing

In letzter Zeit ist viel von „Framing“ im Zusammenhang mit politischer Meinungsbildung und öffentlichen Debatten die Rede. Unter Framing kann man ganz grob Schubladendenken verstehen. Der Journalist Detlef Esslinger hat das Konzept „Framing“ in der Süddeutschen Zeitung in seinem lesenswerten Artikel „Vorsicht, Gift!“ vor ein paar Wochen erläutert. Er führt darin unter anderem Linguisten und Hirnforscher ins Feld, die davon ausgehen, dass der Ausgang einer Debatte weniger eine Frage der Seriosität ist, als eine Frage, wer Thema und Begriffe setzt. Denn letzteres beeinflusst die Richtung, in welcher der Rezipient gelenkt wird.

Wie das funktioniert, kann man sehr schön an Politikern wie Trump, Söder, Seehofer oder auch dem italienischen Innenminister Salvini beobachten. Aus Bürgerkriegs- oder Hungersnotflüchtlingen, die ihr Leben und das ihrer Kinder auf dem Mittelmeer in verrotteten Holzbooten risikieren (wie verzweifelt muss man dazu sein!?) werden dann plötzlich Asyltouristen, die, wer hätte es gedacht, natürlich bei uns „Asylgehalt“ beziehen. Das ist perfide und ekelhaft. Und leider bleibt bei Empfängern solcher Botschaften, sprich Wählerinnen und Wählern, oft – auf mehr oder weniger bewusster Ebene – etwas hängen. In seinem exzellenten Kommentar zu dieser Thematik „Es regt sich was“ (SZ vom 19.7.2018) zitiert Esslinger den unerträglichen italienischen Innenminister Salvini, der so weit geht und gerettete Flüchltinge als „Menschenfleisch“ bezeichnet. Wie weit sind wir gesunken in Europa!? Welch unglaubliche Heuchelei betreiben auch alle anderen wegschauenden europäischen Politiker! Welch Verrat an unseren (vermeintlichen) Werten, für die nicht wir, sondern andere zumeist unter Verlust ihres Lebens gekämpft haben.

Ein wenig ermutigend ist der Eindruck, den Esslinger in seinem Kommentar gewinnt, dass sich in der Zivilgesellschaft etwas regt, dass sie beginnt, in einigen kleinen Aktionen gegen diese hinterhältige Vereinnahmung zu demonstrieren, wie zum Beispiel in London, wo Zehntausende einen Ballon in Gestalt eines Trump-Babys zum Himmel steigen ließen.

Wer an diesem Bereich der Linguistik interessiert ist, möchten wir auf ein Buch der deutschen Kognitionswissenschaftlerin Dr. Elisabeth Wehling verweisen. Wehling forscht an der University of California und ist zur Zeit eine gefragte Gesprächspartnerin. Sie hat ein Buch zum Thema politisches Framing geschrieben, das man bei der Bundeszentrale für Politische Bildung runterladen oder gegen eine Gebühr bestellen kann.

Rahmen für den Morgen

Abschließend möchten wir einen positiven Rahmen setzen. Für die schönen und auch wichtigen Dinge des Lebens. Gedichte gehören auf jeden Fall dazu. Und ganz besonders die Gedichte des großen, leisen amerikanischen Dichters und Freundes Jack Ridl. Sein Gedicht „Framing the Morning“ aus dem Band „broken symmetry“ dreht sich um ein ganz anderes, ein geradezu bezauberndes Framing. Es beschreibt eine morgendliche Szene und Stimmung in vielen kleinen, achtsam beobachteten Details, die allesamt „diesem“ Morgen seinen eigenen Rahmen (Frame) geben.

Da ist von Büchern neben dem Sofa die Rede, ein Gedichtband und ein Wildblumenführer. Das Sonnenlicht wandert über die Fensterbank, strahlt plötzlich den Deckel des Pfefferstreuers an. Vor dem Fenster unter den Tannen sehen wir Samenkapseln, von den Vögeln leergefressen. Marmelade kommt ins Spiel, dazu Toast, Kaffee mit Sahne. Die Zeitung darf nicht fehlen, und auf der Veranda vor dem Fenster liegen eine Decke und ein Fernglas. Wer möchte in diesem Rahmen nicht frühstücken?

Framing the Morning

Next to the sofa, books: an atlas, the poems of John Clare,
   a guide to wildflowers.

The sudden lash of light across the kitchen window sill—
   the silver top of the pepper mill
   the pale yellow of the egg timer
   the sparkle of whisks.

Under the hemlock, empty seed cases across the mulch, dark
   droppings left by the scatter of sparrows.

In the branches, chickadees, nuthatches, cardinals, then
   the flash of a goldfinch;
   across the yard, the cat curled by a rotting stump.

Clouds come. The sun lifts itself into the crown of trees. The leaves
   quiver.

Toast. Currant jam. Coffee with cream. The chipped
   plate with the half moon painted in its center.

Out by the swatch of jewel weed and day lilies, two
   chairs, the light falling across them,
   their shadows growing longer.

The morning paper, folded open to the crossword.
   On the porch, a blanket and binoculars.

Jack Ridl

Informationen zum Buch

Jack Ridl
broken symmetry
Wayne State University Press, Detroit, 2006
ISBN: 9780814333228

Wer regelmäßig Gedichte und andere kluge Gedanken von Jack Ridl lesen möchte, sollte Jacks Blog abonnieren. Es lohnt sich!

#supportyourlocalbookstore

 

Print Friendly, PDF & Email

Kommentare sind geschlossen.

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner