Die Hirtenstrophe
Wir gingen nachts gen Bethlehem
und suchten übers Feld
den schiefen Stall aus Stroh und Lehm,
von Hunden fern umbellt.
Und drängten auf die morsche Schwell
und sahen an das Kind.
Der Schnee trieb durch die Luke hell
und draußen Eis und Wind.
Ein Ochs nur blies die Krippe warm,
der nah der Mutter stand.
Wie war ihr Kleid, ihr Kopftuch arm,
wie mager ihre Hand.
Ein Esel hielt sein Maul ins Heu,
fraß Dorn und Diestel sacht.
Er rupfte weich die Krippenstreu,
o bitterkalte Nacht.
Wir hatten nichts als unsern Stock,
kein Schaf, kein eigen Land,
geflickt und fasrig war der Rock,
nachts keine warme Wand.
Wir standen scheu und stummen Munds:
Die Hirten, Kind, sind hier.
Und beteten und wünschten uns
Gerät und Pflug und Stier.
Und standen lang und schluckten Zorn,
weil uns das Kind nicht sah.
Griff nicht das Kind dem Ochs ans Horn
und lag dem Esel nah?
Es brannte ab der Span aus Kien.
Das Kind schrie und schlief ein.
Wir rührten uns, feldein zu ziehn.
wie waren wir allein!
Daß diese Welt nun besser wird, so sprach der
Mann der Frau,
für Zimmermann und Knecht und Hirt,
das wisse er genau.
Ungläubig hörten wir’s – doch gern.
Viel Jammer trug die Welt.
Es schneite stark. Und ohne Stern
ging es durch Busch und Feld.
Gras, Vogel, Lamm und Netz und Hecht,
Gott gab es uns zu Lehn.
Die Erde aufgeteilt gerecht,
wir hättens gern gesehn.
Peter Huchel (1948)
Mit diesem Gedicht von Peter Huchel (* 3. April 1903 in Groß-Lichterfelde bei Berlin; † 30. April 1981 in Staufen im Breisgau) verabschieden wir uns in eine kurze Winterpause. Huchel hat diese Zeilen wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Es war eine Zeit der Unsicherheit, der Not, des Hungers, der Kälte, der Armut, und Hoffnung gab es auch nicht viel, wie man aus diesem Gedicht unschwer rauslesen kann. Weihnachtsmärkte, wenn es sie denn überhaupt gab, schwammen damals noch nicht in Glühwein, und kein Politiker wäre wohl auf die Idee gekommen, sich ständig beim Vertilgen von Rostbratwürsten und Leberkäse fotografieren zu lassen.
Wir wünschen euch / Ihnen Frohe Weihnachten, entspannte Feiertage sowie Zeit und Muße für die Dinge, die das ganze Jahr über zu kurz kommen. Für das neue Jahr wünschen wir euch / Ihnen alles Gute, Gesundheit und Zufriedenheit.
Danke für euer / Ihr Interesse an unserem Reklamekasper!
Bis bald.
NK | CK
Buchinformation
Peter Huchel
Die Gedichte
Suhrkamp Taschenbuch, 1997
ISBN 3518391658
nur noch antiquarisch erhältlich
