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Wir schrieben Postkarten in Nizza

Am Strand verliebten wir uns in bezaubernde Französinnen, die uns nicht beachteten, und am Abend ertränkten wir unsere Sehnsucht in billigem Landwein, schrieben Postkarten an die daheim, die uns nicht vermissten.

Sommerferien 1977, Nizza

Unanständige Form der Mitteilung

Vor 150 Jahren, am 1. Oktober 1869, wurde die erste Postkarte verschickt. Sie wurde, wie das Museum für Kommunikation Berlin anlässlich einer Sonderausstellung „150 Jahre Postkartengrüße“ schreibt, zunächst als „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ kritisiert. Aber die neuen Postkarten trafen den Nerv der Zeit und wurden sehr schnell sehr beliebt.

Die schönste Art, hallo zu sagen

Beliebt ist die Postkarte übrigens immer noch. 2017 wurden allein in Deutschland 195 Millionen Karten verschickt. OK, zum Ende des 19. Jahrhunderts schrieben die Deutschen noch jährlich eine Milliarde Ansichtskarten, aber das ist lange her. Diese Informationen habe ich übrigens aus einem lesenswerten Artikel von Lara Fritzsche, der Anfang September im Magazin der Süddeutschen Zeitung erschienen ist. Titel: Gute Karten!

am Strand von Bochum

Wohl aus Anlass dieses Postkarten-Geburtstags hat sich der Suhrkamp-Verlag Berlin entschieden, das wunderbare Postkarten-Buch von Jurek Becker „am Strand von Bochum ist allerhand los“ als Taschenbuch rauszubringen. Wir haben das Buch hier im Reklamekasper letzten Sommer ausführlich vorgestellt. Wir versichern Euch: mit Jurek Beckers ebenso originellen wie anrührenden Postkartengrüßen kann keine WhatsApp oder SMS mithalten!

am Strand von Nizza

Man muss übrigens nicht erst nach Bochum reisen wie Jurek Becker, oder als 16-jähriger nach Nizza, um jemandem, den man mag, eine Postkarte zu schreiben. Warum nicht mal dem Nachbar eine Postkarte mit ein paar netten Worten schenken oder der sympathischen Verkäuferin am Gemüsestand auf dem Wochenmarkt?

Schöne Postkarten

Weder am Strand von Bochum noch am Strand von Nizza ist dieses Motiv entstanden. Es ist Teil unserer Serie Schöne Postkarten, die in verschiedenen Geschäften in Tübingen, Mössingen, Hechingen und jetzt auch in der Stadtbücherei Ravensburg erhältlich sind: wo genau steht hier. Unser Webshop ist im Aufbau, über Anfragen per E-Mail freuen wir uns.

Schöne Postkarte Nr. 187 · One’s not half of two – E.E. Cummings © Schöne Postkarten

Schöne Postkarte Nr. 187 · One’s not half of two – E.E. Cummings © Schöne Postkarten

NK | CK

P.S. Wissen Sie noch, wo Sie die Sommerferien 1977 verbracht haben?

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5 Kommentare

  1. Georges Hartmann 3. Oktober 2019 um 10:03

    Ansichtskarten, ich kenne welche, die das für sich als Sammelobjekt entdeckt haben und es somit fast schon zur Verpflichtung geworden ist, im Urlaub angekommen, eine möglichst attraktive ausfindig zu machen. Dann immer wieder das Problem, was könnte man im Textfeld an Information unterbringen. Es ist fast schon zum Ehrgeiz geworden, möglichst viele Worte unterzubringen … Leider habe ich das in all den Jahren nicht wirklich dokumentiert, trotzdem sind einige dieser Schriftsätze erhalten geblieben und auf die Festplatte gebannt wurden. Diese dienen mir dann hinsichtlich der Länge des Textes als Vorlage. Da bin ich aber erst vor wenigen Jahren drauf gekommen, habe dann auch gelesen, dass solche Texte auch in Büchern zu finden sind (Ein Dankeschön an Norbert Kraas). Und so will ich an dieser Stelle einen bekannt geben, den ich anlässlich eines Thermalbad Aufenthalts in Bad Birnbach an einen Freund geschrieben habe …

    Ein 105 m langer Bachlauf, Becken mit unterschiedlichen Attraktionen, wie Massagedüsen, Sprudelliegen und Wasserkanonen. Du fühlst dich nach etwa 2 ½ Stunden sauwohl, gehst unter die Dusche und marschierst in Richtung der Umkleidekabinen. Dein Schrank hat die 2143, was sich als Trugschluss erweist und den Ablauf verzögert. In der engen Umkleide registrierst du, dass nicht nur der Kopf in die Jahre gekommen ist, sondern du auch steif wie ein Brett bist. Das Unterhemd macht Schwierigkeiten, die Unterhose verkehrt rum, egal, der Fuß verhakt sich im Hosenbein. Du fluchst, was in der Nachbarkabine für Irritationen sorgt, brauchst Minuten, bis die Socken über die Füße gezogen sind und ahnst, dass die Gattin bereits draußen auf Dich wartet und überlegt, ob du irgendwie ohnmächtig geworden sein könntest. Es geht halt nix über einen Badeurlaub und das mit den Fahrrädern erzählen wir Dir mal später.

  2. Wenn ich als Kind ohne meine Eltern verreiste, was selten geschah, musste ich ihnen auf alle Fälle eine Postkarte schreiben. Wieder zuhause fand ich diese am Küchenschrank festgeklemmt, mit der Textseite nach oben und von meinem Vater (Lehrer) mit rotem Füller korrigiert.Vermutlich hat er das sogar gut gemeint.

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